Würden die Magazine der Fellner-Gruppe nicht regelmäßig einen Haider-Geheimplan erfinden oder das einfache Parteimitglied nicht auch noch adeln und auf den Umschlagseiten plakatieren, wäre es viel stiller um den Kärntner Landeshauptmann. Denn seine Themen rechtfertigen keinen Aufmacher. Vor lauter Showbusiness kommt ihm langsam die politische Fantasie abhanden. So gesehen fiele die Rechnung Wolfgang Schüssels eineinhalb Jahre nach Bildung der schwarz-blauen Regierung noch besser aus als das sichtbare Ergebnis unter dem Strich: Die Harmonie zwischen ihm und der Vizekanzlerin drängt Haider zunehmend, aber nicht ausreichend an die Peripherie. Thema Osterweiterung Sein großes Thema wird immer stärker die Osterweiterung. Rund die Hälfte der Österreicher ist dagegen. Das feuert die Hardliner der Freiheitlichen an und versetzt die Befürworter in Alarmstimmung. Weil das der Hebel für vorgezogene Neuwahlen im Herbst 2002 sein könnte. Haiders mögliches Argument: Wenn Schüssel den für Jänner des Jahres 2004 geplanten Beitritt von Polen & Co. nicht blockieren will, müssen die Österreicher zeitgerecht darüber abstimmen. Und das gehe nur über eine Wahl zwischen der FPÖ und den anderen Parteien. Haiders Slogan könnte dem von Charles de Gaulle ähneln: Ich oder das Chaos. Dramatisches Problem für die ÖVP Wenn die ÖVP nicht bald aufwacht, gerät sie in ein dramatisches Problem. Sie sollte eine clevere Regierungsinformation über die Osterweiterung durchsetzen. Oder aber Industrie und Wirtschaft nehmen ihr das ab mit dem Argument: Österreichs Wirtschaft wächst nur, wenn die Osterweiterung kommt und wenn wir gezielt Fachkräfte hereinnehmen. Weil sich das beweisen lässt, sollte eine solche Kampagne gestartet werden. Die Flops der schwarz-blauen Regierung gehen derzeit vor allem auf das Konto der FPÖ (Ambulanzgebühren, Unfallrenten-Besteuerung etc.). Aber mit dem Kindergeld, das Haider und Riess-Passer mit der ihnen eigenen Rhetorik als Jahrhundertleistung verkaufen, haben die Freiheitlichen einen Trumpf in der Hand, der die Leistungen der Volkspartei in einem Wahlkampf überstrahlen wird. Noch dazu, weil Wolfgang Schüssel alles andere als ein Volkstribun ist. Gusenbauer hat sich etabliert Und weil die SPÖ beide Parteien scharf attackieren wird. Dort sieht es so aus, als wären die Würfel für Alfred Gusenbauer als Kanzlerkandidat gefallen. Da die Sozialdemokraten vor allem die Proteststimmen auf sich vereinigen müssen, wäre es gefährlich, sich zu sehr auf die Option Rot-Grün festzulegen. Oder gar ein ähnliches Wahlprogramm zu haben. Denn im Vergleich mit Alexander Van der Bellen schneidet Gusenbauer erheblich schlechter ab. Wer also personenbezogen protestiert, wählt nicht rot, sondern grün. Wird es im Herbst des Jahres 2002 bereits zu Wahlen kommen? Wenn sich der Konflikt um die Osterweiterung zuspitzt, ja. Wenn es Schüssel und Riess-Passer gelingt, Haiders Vorstöße letztlich zu ignorieren und Sachprojekte durchzuziehen, dann ist inklusive Steuerreform auch ein plangemäßer Wahltermin möglich. Abstimmung ebenso riskant und nützlich Für Österreich wäre eine frühere Abstimmung ebenso riskant wie nützlich. Denn der Widerstand in den freiheitlichen Eingeweiden gegen die EU drängt uns ohnehin immer stärker an den europäischen Rand. Offiziell wird Kooperation signalisiert, aber in und gegenüber Brüssel selbst mimen FPÖ-Vertreter eine Stärke, die sie nur im Wirtshaus haben, nicht am Verhandlungstisch. Trotz der Bemühungen der ÖVP-Minister hat uns diese Regierung in der EU zum Außenseiter gemacht. Wir haben die Chancen nach dem glänzenden Beitrittsvotum verspielt. Wir nützen alle Vorteile und Rechte innerhalb der EU, tun aber so, als wären die Pflichten in Wirklichkeit Repressalien. Das wird nicht gut enden. Daher müsste bei Anti-EU-Erklärungen der FPÖ die Volkspartei mit einem Ende der Koalition drohen. Nicht umgekehrt. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 11.8.2001)