"Im Stadion darfst du nicht träumen, da musst du handeln." Das Motto des Tschechen Tomas Dvorak, der in Edmonton zum dritten Mal in Folge Weltmeister im Zehnkampf und damit der so genannte König der Leichtathleten geworden ist. Dvorak (29) verbuchte 8902 Punkte, die ergaben das beste WM-Resultat aller Zeiten, der Este Erki Nool lag als Zweiter 87 Zähler zurück. Weltrekordler Roman Sebrle (9026), ein Landsmann Dvoraks, spielte keine Rolle und kam, von einer Leistenverletzung geplagt, nur auf Rang zehn. Dvorak ist ein Mann für gewisse Stunden, für WM-Stunden. Olympische Spiele taugen ihm nicht so sehr, 1996 holte er Bronze, 2000 ging er wegen einer Verletzung leer aus. Auf die 9000-Punkte-Marke fehlte ihm vor zwei Jahren, beim Mehrkampf-Europacup daheim in Prag, die Kleinigkeit von sechs Zählern oder, umgerechnet auf den abschließenden 1500-m-Lauf, eine einzige Sekunde. "So habe ich mir die Motivation aufgehoben", sagte Dvorak. Der 9000er schien nur noch eine Frage der Zeit, die Zeit war heuer in Götzis reif, bloß ging nicht Dvorak in die Geschichte ein, sondern eben Sebrle. Ist er einmal nicht im Stadion, träumt Dvorak manchmal schon. Auch vom Weltrekord. Den würde er seinem Freund und Trainingspartner Sebrle am liebsten in Prag wieder abjagen. Der Heimvorteil, sagt er, sei unersetzbar. "Du schläfst im eigenen Bett, du isst dein gewohntes Frühstück, nachher sitzt du auf deiner eigenen Klobrille. Das ist unschlagbar." Dvorak war nicht immer in Prag zu Hause, er stammt aus Zlin, das früher Gottwaldov hieß. Schon seine Eltern hatten körperlich was drauf, die Mutter spielte Volleyball, der Vater war sportlicher Allrounder. 16-jährig ging Tomas in die Hauptstadt und zur Armee, er wurde Oberst und Mitglied beim Armeesportklub Dukla Prag. Über seinen Trainer Zdenek Vana lernte Dvorak seine spätere Frau Gabriela kennen, die war praktischerweise Vanas Tochter. Seine beiden Töchter, die vier Jahre alten Zwillinge Barbora und Katarina, nennt Dvorak "meinen größten Reichtum". Fast auf den Tag genau vor zwölf Jahren hat Dvorak im nordkoreanischen Pjöngjang mit 6999 Zählern seine beispiellose Karriere begonnen. Nach Edmonton verweist er nun auf den stolzen Rekord von 13 Wettkämpfen jenseits der 8500 Punkte. Dvoraks Stärke ist es, keine Schwäche zu haben, er gilt als kühler Rechner, der nie aus der Rolle fällt. Und zum Beispiel, wenn ihm beim Stabhochsprung der Stab bricht, im nächsten Versuch eine persönliche Bestmarke fixiert. Den Zehnkampf bezeichnet er als "im Prinzip angenehme Sache. Bloß dass jeder Tag mit einem schrecklich anstrengenden Lauf endet. Ich liebe weder die 400 noch die 1500 Meter. Ich bin ja kein Masochist." (DER STANDARD-Printausgabe, Freitag, 10. August 2001, Fritz Neumann)