Graz/Wien - Die Videokameras am Unfallort streikten. Dennoch waren die Umstände, die zu dem folgenschweren Unfall im steirischen Gleinalmtunnel führten, Dienstag einigermaßen geklärt: Ein in Graz lebender Deutscher war mit seinem Pkw aus Unachtsamkeit auf die Gegenfahrbahn geraten und verursachte so die Kollision, bei der fünf Menschen ums Leben kamen. Bei den Todesopfern handelt es sich um eine Familie aus der holländischen Stadt Wageningen. Der 45-jährige Vater lenkte einen Renault Laguna, in dem sich auch seine 46-jährige Ehefrau und die vier Töchter des Paares, Silke (18), Elke (15), Ymke (11) und Kari (9) befanden. Einzig Ymke hat den Unfall überlebt, weil sie aus der rechten hinteren Autotüre geschleudert wurde und bereits am ganzen Körper brennend die Flucht ergriff. Ein Liezener, der sich auch im Tunnel befunden hatte, löschte das Mädchen mit bloßen Händen und rettete ihr so das Leben. Unfallursache war nach ersten Angaben des 40-jährigen Unglückslenkers Karlheinz B. eine kurze Unachtsamkeit. Der gebürtige Deutsche hatte sich kurz zu seinen beiden im Fond sitzenden Töchtern (drei und sechs Jahre alt) umgedreht, weil eines der Mädchen in den Kofferraum des Ford Focus klettern wollte. An den weiteren Hergang fehlt dem Mann die Erinnerung. Er und seine beiden Kinder sind außer Lebensgefahr. Laut dem Leobener Staatsanwalt Peter Hödl könnte der Mann wegen "fahrlässiger Gemeingefährdung" angezeigt und bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden. Das Resultat eines bei beiden Fahrzeuglenkern durchgeführten Alkoholtests ist noch unbekannt, Hödl: "Es gab keine konkreten Hinweise, dass der Lenker alkoholisiert gewesen wäre. Die Blutabnahme erfolgte routinemäßig." Der Zustand des schwer verletzten holländischen Mädchens ist laut der Grazer Kinderchirurgie "klinisch stabil". Das Kind befindet sich im künstlichen Tiefschlaf, in den sie sofort nach ihrer Bergung versetzt wurde. Sie hatte Verbrennungen dritten Grades an knapp 70 Prozent ihrer Haut erlitten und wurde in Graz sofort notoperiert, wobei große Teile der toten Haut durch Transplantationen von Eigenhaut ersetzt wurden. Noch am Dienstagnachmittag erfolgte die Überstellung der Vollwaisen per Flugambulanz in das holländische Brandverletztenzentrum Beverwijk. "Nicht kausal" Die Sicherheitsbedingungen im Tunnel seien "nicht kausal für den Unfall" gewesen, hieß es bei der Staatsanwaltschaft: "Es war ein Begegnungsunfall, der auf einen Fahrfehler zurückzuführen ist. Das hätte sich auch auf einer Straße ereignen können." Dennoch brach, fast traditionell nach solch spektakulären Unfällen, am Dienstag ein Streit um die Sicherheit österreichischer Tunnel aus (siehe Artikel unten). Die Autofahrerklubs ÖAMTC und ARBÖ sprachen sich für den schnellstmöglichen doppelröhrigen Ausbau des Gleinalmtunnels und anderer gefährlicher Röhren auf den Hauptverkehrsstrecken aus. Eine zusätzliche "Tunnelmilliarde" soll laut ÖAMTC das ohnehin bis 2010 vorgesehene Ausbauprogramm beschleunigen. Der Verkehrsklub Österreich (VCÖ) war der Ansicht, dass doppelröhrige Tunnel das Unfallrisiko aufgrund vermehrten Verkehrsaufkommens noch erhöhen. (Christoph Prantner Colette M. Schmidt, DER STANDARD Print-Ausgabe 8.August 2001)