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Brüssel/Wien - Während an den Börsen Flaute herrscht, entfaltet die Europäische Kommission umso mehr Aktivitäten bei der Normsetzung im Wertpapierrecht. So liegen nun die Vorschläge für eine Richtlinie über Insidergeschäfte und Marktmanipulation, KOM (2001) 281, sowie für eine Richtlinie über den Wertpapierprospekt, KOM (2001) 280, vor. Beide sind Teil des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen, Ziel: bis 2003 einen integrierten Wertpapierdienstleistungsmarkt in der EU zu schaffen. Der Richtlinienentwurf über Insidergeschäfte und Marktmanipulation aktualisiert zum einen die Richtlinie 89/592/EWG über Insidergeschäfte von 1989. Schon in dieser Vorschrift ist das Vorgehen gegen Geschäfte geregelt, bei denen ein Marktteilnehmer Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind, zu seinem oder zum Vorteil Dritter nutzt und damit die Anleger schädigt. Bekämpfung von Marktmanipulationen Neu ist demgegenüber der geplante Rechtsrahmen für die Bekämpfung von Marktmanipulationen, also von Fällen, in denen jemand zum Nachteil der Anleger verzerrend auf die Kursbildung einwirkt oder falsche oder irreführende Informationen verbreitet hat. Hier gibt es bisher keine EU-weiten Regeln, und in den Mitgliedstaaten existiert eine Vielzahl verschiedener Vorschriften. Die Kommission möchte hier zu einer Vereinheitlichung kommen, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den einzelnen Finanzmärkten zu beseitigen. Nicht zuletzt soll das Vorgehen gegen Marktmissbrauch auch das Vertrauen potenzieller Anleger in den Wertpapierhandel stärken. In Artikel 1 Ziffer 2 gibt die Richtlinie erstmals eine EU-einheitliche und für zukünftige Entwicklungen flexible Definition des Begriffs "Marktmanipulation". Besonders interessant dabei ist - in Zeiten, in denen Dutzende von Fernseh- und Radiosendern, Internetdiensten und Fachblättern Börseninformationen vertreiben - der Aspekt der Verbreitung von Informationen, "die falsche oder irreführende Signale bezüglich des Angebots von, der Nachfrage nach oder des Kurses von Finanzinstrumenten geben oder geben können" über die Medien: unter anderem durch die Verbreitung von Gerüchten. Das Verbot der Marktmanipulation wird dabei für alle Finanzinstrumente gelten, die zum Handel auf zumindest einem geregelten Markt in der EU zugelassen sind: Primärmärkte, Handelsplattformen, außerbörsliche Geschäfte und der "graue Markt" sind also erfasst, um zu verhindern, dass sich alternative Handelssysteme bilden, die für missbräuchliche Zwecke genutzt werden könnten. Dabei ist die Richtlinie auch so offen angelegt, dass die immer neuen Derivate und Technologien, die auf den Märken auftauchen, erfasst werden können. Ausnahmebereiche Andererseits gibt es einige Ausnahmebereiche, wie zum Beispiel den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufgeschäften und der Kurspflege. Hier sieht die Kommission legitime wirtschaftliche Gründe, zum Beispiel die Verbesserung der Dividende pro Aktie, die Stärkung des Eigenkapitals von Emittenten oder den Stopp eines Kursverfalls in den ersten Tagen nach der Erstemission, wenn es noch nicht genug Handelsbewegungen gibt. Der Richtlinienentwurf hat im Übrigen auch eine über die EU hinausgehende Dimension, hat sich doch die EU-Kommission an einer Analyse der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) orientiert. Innereuropäisch müssen die Mitgliedstaaten zur Durchsetzung der neuen Regeln - sowohl über Insidergeschäfte als auch über Marktmanipulation - jeweils eine einzige zuständige Behörde benennen. In Österreich dürfte dies die Bundeswertpapieraufsicht werden. Zur Abrundung des Finanzmarktkonzepts wird der EU-weit gültige Prospekt für öffentliche Zeichnungsangebote, ein neuer, einheitlicher "Pass für Emittenten" vorgeschlagen. Prospekte, die im Herkunftsland des Emittenten genehmigt wurden, müssen dann überall akzeptiert werden. Die bisherige Börsenprospekt-Richtlinie 80/390/EWG vermochte dies in der Praxis nicht zu gewährleisten. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 7.8.2001)