Das Haar, das unbekannte Wesen - Von Geburt an ist jedes Haar, das irgendwann mal aus unserer Haut sprießen wird, als Keim, im Fachjargon Papille genannt, angelegt. Wie viel Haare mensch hat, ist also wirklich Veranlagung. Hormone steuern das Haarwachstum. So prägt sich die Körperbehaarung erst in der Pubertät aus. Und in der Schwangerschaft zum Beispiel passiert es nicht selten, dass sich die Haarstruktur verändert. Die genauen Zusammenhänge, die hinter Haarwachstum und -ausfall stecken, sind aber immer noch nicht aufgeklärt. Bekannt ist jedoch, dass Haare unterschiedliche Wachstumszyklen haben. Die Faszination von Haaren rührt unter anderem daher, daß es sich um ein lebendiges Material handelt. Nicht nur weil es wächst, sondern weil es sehr empfänglich für Umwelteinflüsse ist. Was ein Haar sonst noch alles kann, ist ebenfalls sensationell: Die 100.000 Haare auf einem Durchschnittskopf wachsen pro Tag insgesamt 30 Meter. Und Dank seiner genialen chemischen Struktur kann ein einzelnes Haar bis zu 90 Gramm Gewicht tragen, bevor es reißt. Bereits seit dem Altertum wird der Kopfbehaarung eine bedeutende Bedeutung zugeschrieben und eine dichte Haarpracht mit positiven Temperamentseigenschaften assoziiert. Schon die alten ÄgypterInnen wollten sich nicht mit dem Haarverlust abfinden und suchten nach kosmetischen Möglichkeiten, dieses als unvorteilhaft empfundene Phänomen zu kaschieren, und auch griechische Gelehrte wie Hippokrates und Aristoteles bemühten sich um Wissen über Ursachen. Unterschiedliche Bedeutungen Im Körperbild des Menschen und in der nonverbalen Kommunikation spielt das intakte Haar eine wichtige Rolle. Haar ist sozusagen die "Krone", es schmückt den Kopf und den Körper und wird zur Haarpracht, Haartracht und Haarmode stilisiert. Im Laufe der Menschheitsgeschichte wurde dem Haar unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben. Von der bloßen Schutzfunktion in der Frühzeit reicht die Entwicklung über festgeschriebene Bedeutungen in Antike und Mittelalter bis zur sehr individuellen Modeerscheinung der Gegenwart. Wer auf welche Art und Weise seine Haare trug, wurde in den verschiedenen Kulturen als Zeichen bestimmter Eigenschaften zugeordnet. In der heutigen jugendzentrierten Gesellschaft scheint die Rolle der Kopfbehaarung und der Körperbehaarung mehr denn je an gesellschaftlicher Bedeutung zu gewinnen. Volles und auch farbiges Kopfhaar wird oft gleichgesetzt mit sozial wünschenswerten Eigenschaften wie Jugendlichkeit, Attraktivität, Kraft, Vitalität, Gesundheit, Intelligenz, Erotik und Erfolg. Das Haar ist der gewöhnlichste und gleichzeitig wichtigste sexuelle Fetisch, dem die beiden Geschlechter auf recht unterschiedliche Weise huldigen. Es ist ein ebenso verlässliches Barometer über unser körperliches und seelisches Wohlbefinden, ein Messinstrument, das obenhin wie zum Ablesen geschaffen ist. Gelegentlich werden negative Begleiterscheinungen des Haarausfalls berichtet, zum Beispiel negatives Körperbild, geringes Selbstwertgefühl, soziale Angst, Depression, sozialer Rückzug. Diesem und viel mehr (Kraft im Haar, die Perücke, Haar und Geschlecht...) widmet sich das vorliegende Taschenbuch ausführlich. ( Renate Bernardyn-Gabler )