Grafik: DerStandard
Er stand seit je im Schatten seines um fünf Jahre älteren Bruders Luciano. Das hat den 60-jährigen, sportbegeisterten Gilberto Benetton, frisch gebackener Vizepräsident von Telecom Italia, nie gestört. Im Gegenteil. Er agiert lieber im Hintergrund. Und im Gegensatz zum Publikumsliebling Luciano, der es auch nicht scheut, nackt zu posieren, gibt sich der kleine Bruder zurückhaltend. Nicht etwa, weil er weniger schön als Luciano ist: Er ist etwas größer, etwas beleibter, hat aber die gleichen strahlend blauen Augen und dieselbe weiße Haarmähne; allerdings ist der Schnitt kürzer. Aber Gilberto liebt das Understatement. Das geht schon aus der Wahl seiner Sportarten hervor: Nicht etwa Formel-1-Rennen oder Golfen zählen zu seinen Hobbys. Er begeistert sich vielmehr für die "armen" Sportarten, Rugby, Radfahren und Volleyball. Diese sponsert und fördert er auch, wann und wo es nur geht. Schließlich hat er den gesamten Benetton-Clan dazu bewegt, aus dem Rennsport in der Formel 1 auszusteigen. Der war ihm zu teuer. Mit Zahlen - darüber gibt es keinen Zweifel - kann Gilberto umgehen. Das wissen auch seine Geschwister. Die ihm nicht nur die Verwaltung der Familienholding Edizione Holding anvertrauten, sondern auch seinen ehrgeizigen Expansionsplänen freien Lauf lassen. Sie sind damit bisher bestens gefahren. Denn die Entwicklung vom Modekonzern zum internationalen Allround-Player ist Verdienst von "Dottor Gilberto", wie der Sechzigjährige in Treviso genannt wird. Und dass die Benettons in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren in den Olymp der italienischen Hochfinanz aufstiegen, geht nicht nur auf den unternehmerischen Mut von "Signor Luciano" und dessen unkonventionelle Ideen zurück. Der Erfolg ist auch auf die kluge Beteiligungspolitik von Gilberto, auf sein Engagement bei Italiens großen Privatisierungen, bei Autostrade und Autogrill, zurückzuführen. Nicht nur der Familienclan baut auf das finanzielle Fingerspitzengefühl von Gilberto. Auf der Suche nach frischem Geld und moralischer Unterstützung klopfte kürzlich der Chef der mächtigen Mailänder Investmentbank Mediobanca, Vincenzo Maranghi, bei den Benettons an. Der Banker bat das Modeunternehmen um Hilfe bei der Verteidigung der Stromholding Montedison. Natürlich wurde Gilberto als Verhandlungspartner vorgeschickt. Er genehmigte einen Einstieg von 30 Prozent bei Montedison. Erst als der mächtige Turiner Fiat-Konzern ein Übernahmeangebot für Montedison startete, zog er sich zurück. Schließlich weiß er, wo seine Grenzen liegen. Auch bei Telecom Italia. "Pirelli hat die Investition seines Lebens getätigt, für uns ist das Engagement bei Telecom Italia nur eines von vielen." (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Printausgabe 2.8.2001)