Kosovo
Mazedonien-Verhandlungen durch Sprachenstreit blockiert
Ohrid/Wien - In ihren Friedensgesprächen haben die
slawischen und albanischen Konfliktparteien in Mazedonien nach
wie vor keinen Kompromiss über den künftigen Status der albanischen
Sprache erreicht. Aus beiden Delegationen verlautete in der Nacht auf
Mittwoch in Ohrid, die internationalen Vermittler Francois Leotard
und James Pardew hätten einen neuen Vorschlag unterbreitet. Ihre
ursprüngliche Initiative sah vor, dass Albanisch zweite Amtssprache
in den Gebieten werden soll, in denen die Albaner mindestens zwanzig
Prozent der Bevölkerung stellen.
Der sich ständig verschärfende Gegensatz zwischen der slawischen
Mehrheit (mit einem Bevölkerungsanteil von weniger als 65 Prozent)
und der starken albanischen Minorität in dem multiethnischen Staat
war schon vor dem Kosovo-Krieg virulent und kam vor allem in der
Kulturpolitik zum Ausdruck. Die Albaner wollen als zweites Staatsvolk
anerkannt werden, während die Verfassung von 1991 Mazedonien
als "Nationalstaat des mazedonischen Volkes" definiert. Für die
slawischen Parteien kann es kein "zweites Staatsvolk" geben; die
Albaner sind als "Nationalität" eingestuft wie die anderen im Land
lebenden ethnischen Gruppen - Serben, Roma, Türken, Aromunen
(Wlachen) und Bosniaken.
1991 waren 75 Prozent für Unabhängigkeit
Im kommunistischen Nachkriegs-Jugoslawien war auf Betreiben
Titos nach Errichtung der Teilrepublik Mazedonien mit Erfolg ein
slawo-mazedonischer Nationsbildungsprozess in Gang gesetzt worden. Es
wurden aus dem örtlichen Dialekt eine eigene Schriftsprache und eine
vom serbischen Patriachat losgelöste autokephale mazedonische
orthodoxe Kirche geschaffen. Bei dem im September 1991 abgehaltenen
Referendum sprachen sich auch nahezu 75 Prozent für die staatliche
Unabhängigkeit aus - ein deutliches Signal nicht nur gegenüber
Belgrad, sondern auch gegenüber Sofia und Athen.
In den siebziger Jahren hatten die mazedonischen Albaner,
begünstigt durch die Politik Titos, ähnlich wie im damals autonom
gewordenen Kosovo eine lebhafte kulturelle Aktivität entfalten
können, die in Ansätzen auch nationalistische und separatistische
Tendenzen aufwies. Nach Titos Tod kam es während der Zerfallsphase
des jugoslawischen Vielvölkerstaates in den achtziger Jahren zu einem
massiven Rückschlag, der Albanischunterricht an den Schulen wurde
drastisch eingeschränkt.
Kein muttersprachlicher Unterricht auf Hochschulebene
Nach der Unabhängigkeit Mazedoniens und der Aufhebung der
Kosovo-Autonomie durch die serbischen Machthaber wurde der Ruf der
mazedonischen Albaner nach einer eigenen Universität laut, doch
stieß er bei der Regierung in Skopje auf Ablehnung. Die Verfassung
garantiert muttersprachlichen Unterricht im Grundschulwesen, aber
nicht auf Hochschulebene.
1994 beschloss die albanische Gemeinderatsmehrheit von Tetovo,
der zweitgrößten Stadt des Landes, in Abwesenheit der slawischen
Ratsmitglieder die Gründung einer albanischen Universität
("Universiteti i Tetoves") mit sieben Fakultäten und 18
Studienrichtungen. Die Professoren wurden aus Pristina und Tirana
geholt. Zu den privaten Sponsoren gehörte auch die Soros-Stiftung.
Skopje verweigert Zustimmung
Skopje verweigerte die Zustimmung mit der Begründung, dass die
Eröffnung einer Universität ausschließlich in die Kompetenz des
Staates falle und es sich in Tetovo um ein "politisches Projekt"
handle, welches den albanischen Irredentismus fördere. Der
Konflikt spitzte sich zu, der designierte Rektor und mehrere
Parlamentsabgeordnete albanischer Volkszugehörigkeit wurden
verhaftet, das Universitätsgebäude von der Polizei verwüstet. Der
Kosovo-Krieg musste zu einer Radikalisierung führen, der Antagonismus
zwischen Albanern und Slawo-Mazedoniern wurde trotz der Präsenz
albanischer Parteien in der Koalitionsregierung in Skopje immer
stärker. (APA)