Josef Kleindienst, der Kronzeuge im Spitzelskandal, wird vorläufig nicht mehr aussagen, bestätigt er im Gespräch mit dem STANDARD. Das gesamte Spitzelverfahren wird sich dadurch empfindlich verzögern. Stefan Erdei, der zuständige Untersuchungsrichter, hat um seine Versetzung angesucht und wird am 1. September seinen Posten am Jugendgericht antreten. Erdei, der als Karenzvertretung ins Landesgericht kam, ist damit lediglich seiner drohenden Versetzung durch das Oberlandesgericht Wien zuvorgekommen. Für das Verfahren bedeutet das, dass sich ein neuer Richter erst in die Akten einarbeiten muss. Und die noch ausständige Einvernahme von Kleindienst in die Wege leiten muss. Verbot, vor Gericht auszusagen Erdei hat eine Ladung von Kleindienst zuletzt erst gar nicht versucht. Das wäre nämlich auch Zeitverschwendung, ließ ihm dieser über seinen Anwalt mitteilen. Kleindienst, der die gesamte Causa durch sein Buch und danach seine Aussagen vor der Wirtschaftspolizei ins Rollen gebracht hatte, ist derzeit mit fünf Anträgen auf einstweilige Verfügungen seitens der FPÖ konfrontiert. Die etwas seltsam anmutenden Anträge: Kleindienst solle verboten werden, vor Gericht auszusagen. Antragsteller sind Jörg Haider, Ewald Stadler, Haider- Pressesprecher Karlheinz Petritz, der ehemalige FPÖ-Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold und FPÖ-Klubdirektor Moser. In erster Instanz wurden alle fünf Anträge erwartungsgemäß abgewiesen. Die FPÖ legte Rekurs ein. Rätselhaftes Vorgehen der Justiz Was dann passierte, muss als skurril bezeichnet werden: Obwohl alle fünf Anträge wortident formuliert sind, gab es am Oberlandesgericht Wien verschiedene Entscheidungen. In zwei Fällen wurde dem FPÖ-Rekurs stattgegeben und die Verfahren wurden an die erste Instanz rückverwiesen, in drei Fällen wurde abgelehnt. Die Anträge waren verschiedenen Senaten vorgelegt worden, die in der gleichen Causa zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Kleindienst: "Solange es für mich in dieser Angelegenheit keine Rechtssicherheit gibt, werde ich nicht mehr aussagen. Sonst droht mir ein Rattenschwanz an Klagen." Die Verfahren der FPÖ gegen ihn sind bereits seit November vergangenen Jahres anhängig, ohne dass ein endgültiges Erkenntnis, geschweige denn ein einhelliges Erkenntnis vorliegt. Kleindienst: "Offenbar legt das Gericht keinen so großen Wert auf meine Zeugenaussage." Dies und die Ablöse von Erdei ergeben für Kleindienst "keine gute Optik". Auch die Richter am Wiener Straflandesgericht sind unzufrieden. Claudia Ortner, Betriebsausschussvorsitzende im Straflandesgericht, kritisiert die "politische Willkür", mit der man sich offenbar unbequemer Richter entledige. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 1.8.2001)