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Böhmens König Johann war mit 29 Jahren nach einer missglückten Augenoperation völlig erblindet. Den höfischen Tugenden verpflichtet, ritt er dennoch 1346 im französischen Ritterheer bei Crécy gegen die Langbogenschützen der Engländer und starb, wie viele andere um ihn, im Pfeilhagel. Der Tod des ersten Böhmenkönigs aus dem Haus Luxemburg im Hundertjährigen Krieg zeigt, was auch für sein Leben gegolten hatte: Dem Land, das er erheiratet hatte, blieb er ein Fremdling. Die Verbindung mit dem Königshaus Valois durch seine Tochter Guta (Bonne) und die Reichspolitik waren seine eigentlichen Anliegen, er war sogar bereit, Böhmen gegen die Rheinpfalz einzutauschen, doch kam es dazu nicht. Er war selten in seinem Königreich, ließ dort dem Hochadel freie Hand, sodass die Bemühungen seiner Przemysliden-Gattin Elisabeth, wieder ein starkes nationales Königtum zu schaffen, vergeblich blieben. Dennoch war Johann dem Blinden eine Ausweitung der Länder der Wenzelskrone gelungen: Er erwarb die Oberlausitz und sicherte gegen den Verzicht auf den Anspruch auf die Krone Polens endgültig die böhmische Oberhoheit über Schlesien. Ludwig der Bayer verpfändete ihm für die böhmische Kurstimme bei der deutschen Königswahl die ursprünglich zum bayerischen Nordgau gehörende Reichsstadt Eger/Cheb (die Pfandschaft wurde nie mehr eingelöst, und so blieb das Egerland mit dem Ende des alten Reichs bei Böhmen). Kronprinz Karl, 1316 in Prag geboren - er war damals nach seinem Großvater Václav/Wenzel getauft worden - hatte in der frühen Kindheit von seiner Mutter auch Tschechisch gelernt, war aber dann von seinem Vater nach Paris gebracht worden, wo er den Namen seines Firmpaten, des französischen Königs Karl IV. annahm und noch als halbes Kind mit einer Valois verheiratet wurde. 1333 schickte König Johann seinen 17-jährigen Sohn als Landeshauptmann nach Böhmen. Dort erwartete ihn die schwierige Aufgabe, gegen "die Barone, die bisher größtenteils im Lande Tyrannen gewesen waren" (wie Karl in seiner Autobiografie "Vita Caroli" schrieb), wieder Rechtssicherheit durchzusetzen und die Finanzen in Ordnung zu bringen. 1341 wurde der rasch beliebte Karl in Prag von Adeligen, Prälaten, Rittern und Bürgern zum Erben und Nachfolger in den böhmischen Ländern gewählt. Nun aber trat für Karl die Reichspolitik in den Vordergrund. Der Wittelsbacher Ludwig der Bayer hatte sich durch seine Hausmachtpolitik bei den deutschen Fürsten unbeliebt gemacht und zugleich mit dem Papst gebrochen. Die Luxemburger betrieben seinen Sturz, der Papst mischte mit und erhob Prag zum Erzbistum, und Karl wurde 1346 mit päpstlicher Hilfe zum Gegenkönig gewählt - "Pfaffenkönig", spotteten seine Gegner. 1349 war er allgemein als deutscher König anerkannt. Prag, wo er auf dem Hradschin die Prachtbauten einer umgestalteten Burg und des neuen St.-Veits-Doms errichten ließ, wurde durch Karl zum Machtzentrum sowohl des Reiches als auch der luxemburgischen Hausmacht. Zum ersten Mal hatte ein deutscher König eine ständige Hauptstadt gewählt; mit der Errichtung der Burg Karlstein bei Prag, die die Krönungskleinodien aufbewahren sollte, gab der deutsche und böhmische König, der 1355 in Rom auch zum Kaiser gekrönt wurde, ein äußeres Zeichen seines auf Dauer ausgerichteten herrscherlichen Anspruchs. Zugleich verlagerte sich das Zentrum des Reiches nach Osten - dem entsprach die Nachgiebigkeit des Kaisers gegenüber Frankreich, die zum Verlust Burgunds führte. Mit der "Goldenen Bulle", die die Wahl des deutschen Königs durch die sieben Kurfürsten institutionalisierte und diese mit Privilegien ausstattete, gab er dem Reich ein dauerhaftes Verfassungsgesetz. Die Habsburger wurden dabei benachteiligt - noch Kaiser Maximilian I. nannte Karl IV. den "Erzstiefvater des Reichs", zugleich aber den "Erzvater Böhmens". Karl war sich bewusst, dass die Voraus- setzung für die Macht des Kaisers eine ent- sprechend große Hausmacht war. Deshalb verfolgte er konsequent die Ausweitung sei- nes böhmischen Erbes. Dem diente eine planmäßige Heiratspolitik (womit er die spätere habsburgische Politik vorwegnahm). Er sicherte sich ganz Schlesien, erwarb die Niederlausitz und die Mark Brandenburg und streckte seine Fühler an die Ostsee aus. Erbverträge mit Ungarn, Polen, Österreich und Pommern zeichneten den Weg vor, den sein Reich nehmen sollte. Karl war ein gebildeter und polyglotter Mann, ein Freund der Künste und der Wissenschaften; so wurde seine Residenz auch zum geistigen Mittelpunkt des Reiches - zum "goldenen Prag". Tschechen und Deutsche, Franzosen und Italiener machten es zu einer wahrhaft europäischen Stadt. 1348 gründete Karl die Prager Universität mit vier Fakultäten, der das Collegium Carolinum als Wohn- und Studienort der Professoren und Studenten angeschlossen wurde. Allerdings begannen dort schon früh nationale Streitigkeiten zwischen Deutschen und Tschechen, weil jene der Forderung nach einer größeren Gewichtung der böhmischen Universitätsnation nicht nachgaben. Die zunehmende Verwendung der Volkssprache in der Kirche und die Unzufriedenheit des Klerus führten zu permanenten Spannungen, denen die Kirchenoberen durch die von Karl genehmigte Inquisition gegen "ketzerische" Strömungen entgegentraten. Durch Bibelübersetzungen wurde das Tschechische zur Schriftsprache. Noch ließ Karls Machtfülle die Gegensätze überbrücken - so auch durch seine lateinisch geschriebene Wenzelslegende, mit der er den Kult des böhmischen Märtyrerkönigs im ganzen Römischen Reich verbreiten wollte. Ehe er (1378) starb, schwächte er allerdings die luxemburgische Hausmacht, indem er seine Länder unter die Söhne - er war viermal verheiratet gewesen - aufteilte. Noch zu Lebzeiten hatte er seinen Ältesten, Wenzel, den ihm seine dritte Frau Anna von Schweidnitz geboren hatte, zum Erben Böhmens bestimmt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22. 7. 2001)