Wien - Unterschiedlicher hätten die beiden Dissertationen gar nicht sein können, die vergangene Woche von einer Juristen-Jury als Sieger für den diesjährigen Wolf Theiss Award der Wiener Anwaltskanzlei Wolf Theiss & Partner, der vom STANDARD mitgesponsert wird, ausgesucht wurden: Eine tiefgründige Arbeit über eine aktuelle Frage des Gesellschaftsrechtes und eine visionäre rechtliche Aufarbeitung einer Technologie, die es noch gar nicht gibt. Maria Doralt hat in ihrer Arbeit über Aktionärsschutz und Gläubigerschutz beim Management-Buyout (MBO) die Probleme analysiert, die durch den Verkauf eines Unternehmens ans eigene Management auftreten. Meist werden diese Deals mit einem sehr hohen Anteil an Fremdkapital finanziert, was im Ernstfall die Interessen von Aktionären und Gläubigern schmälern könnte. Doralt, die heute bei der US-Investmentbank Goldman Sachs in Frankfurt arbeitet, legt in ihrem sehr verständlich und flüssig geschriebenen Werk ungewöhnlich strenge Maßstäbe für den Grundsatz des Kapitalerhaltes an, was manche in der Branche nicht freuen wird. Aber ihre rechtsdogmatischen Argumente sind so überzeugend, dass ihre Arbeit die Beurteilung zukünftiger MBOs beeinflussen dürfte. Zukunftsmusik Margit Brandl hat sich in ihrer Arbeit mit rechtlichen und regulatorischen Fragen der Internettelefonie (Voice over IP) beschäftigt, die technisch noch kaum möglich ist. Ist es aber einmal so weit, dass man über das Internet wie über eine Telefonleitung sprechen kann, dann stellt das den Regulator vor große Herausforderungen. Nach einer detaillierten, aber verständlichen Darstellung der technischen Entwicklung beschäftigt sich Brandl mit der Frage, ob Internetanbieter anders behandelt werden sollten als traditionelle Telefonfirmen. Nein, ist ihre klare Antwort, was von der Frage der Konzession bis zur Rufnummernvergabe den Regulator noch viel Kopfschmerzen bereiten wird. Brandl weiß, wovon sie spricht, hat sie doch selbst in der Rechtsabteilung der Telekom Control gearbeitet. Weil die Jury keiner der beiden so unvergleichbaren Arbeiten den Vorzug geben wollte, wurde der Preis von 10.000 EURO (137.603 S) heuer geteilt. Die Preisverleihung findet am 8. Juni unter Beteiligung von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein statt. (ef, Der Standard, Printausgabe, 29.05.2001)