Mit ihrem Welthit "Connected" schufen sie einen Blueprint für die Musik der 90er-Jahre. Nach neun Jahren relativer Stille veröffentlichen die britischen Stereo MC's nun ein neues Album und spielen heute live in Wien. Karl Fluch sprach mit ihnen. Wien - Als das Gespräch auf die Bedeutung von Stimmen in der Musik kommt, gerät Rob B. in Fahrt: "Für uns ist der Gesang eine Hälfte der Musik. Wir sind eine Band, ich bin ihr Sänger und definiere mit meinem Gesang den Stimmungsrahmen und formuliere Gefühle, die der Rest der Band ihrerseits umsetzt. Musik ist heute oft charakterlos und austauschbar, weil sie glaubt, ohne menschliche Identität auskommen zu können. Darum klingt sie so ärmlich, wie sie klingt."

Und Nick Hallam: "Stell dir einmal Public Enemy ohne ihren Rapper Chuck D. vor. Oder Marvin Gayes Musik ohne seine Stimme. Vergiss es! Zu singen bedeutet sich zu öffnen, den Mut zu haben, sich nackt zu zeigen." Und noch einmal Rob B.: "Musik ohne Gesang ist wie ein Körper ohne Hirn. Eigentlich traurig."

Die beiden Herren, die sich hier so ereifern, sind keine alten Grantler, sie wissen es nur zufällig besser. Es sind Robert Birch alias Rob B. und Nick Hallam und der Welt als Stereo MC's bekannt. Eine britische Formation, die als Wegbereiter dessen gilt, was in den 90er-Jahren als Club-Musik mit Affinität zum Sammelbegriff TripHop explodierte und die mit Connected 1992 einen Welthit landete.

Nach der gleichnamigen Tour wurde es 1994 still um die Stereo MC's. Hallam: "Wir waren ausgebrannt. Wir hatten in kurzer Zeit drei Alben produziert und befanden uns auf Dauertournee. Eine Pause war notwendig."

Diese dauerte fast neun Jahre, in denen es Gerüchte gab, die Stereo MC's würden am "Kraftwerk-Syndrom" leiden. Daran, dass sie mit veraltetem Equipment nicht mehr auf der Höhe der Zeit produzieren könnten. Dennoch entstanden immer wieder Remixe wie für die Jungle Brothers, Tricky oder auch Madonna, die diese Stimmen egalisierten.

Kein Dosen-Funk

Wie verhält es sich heute mit dem Begriff Funk? Glauben sie noch immer an seine befreiende Kraft? Sind sie immer noch "Believers"? Rob B.: "Oh ja! Aber es handelt sich dabei nicht um einen Funk, der aus der Dose oder von einer Software kommt. Funk ist ein sehr persönliches Gefühl, das zu einem guten Groove entsteht, das dich bewegt."

Hallam: "Das ist es auch, was wir in unseren Produktionen versuchen hervorzubringen. Dabei haben wir eigentlich keine Ahnung, wie Funk genau geht. Es gibt kein Rezept dafür. Aber wenn der Funk erscheint, erkennen wir ihn."

Das neue Album heißt Deep Down And Dirty und trägt deutlich die Handschrift früherer Stereo MC's-Arbeiten. Darf der Titel als Programm verstanden werden? Rob B.: "Auf alle Fälle. Es beschreibt unseren State of Mind."

Hallam: "Deep Down And Dirty war der erste Track, den wir für das Album fertig stellten. Er wies die Richtung und kann tatsächlich als eine Art Standpunktbeschreibung von uns gelesen werden. Wir saßen ja immer schon zwischen den Stühlen. Wir produzieren Songs, die wie Tracks funktionieren, wurden als HipHop genauso bezeichnet wie als Dancefloor. Tatsächlich verhandeln wir Musik, die ansonsten von Leuten wie Britney Spears bis hin zu Depth Charge vertreten wird. Ein weites Feld also."

Eine herausragende Besonderheit der Stereo MC's war immer ihr Wirken und ihre Wirkung als Live-Act. Rob B.: "Live zu spielen mag ja manchen jungen Menschen ein wenig altmodisch erscheinen, aber für uns ist es die definitive Erfahrung. Es vereint Band und Publikum und hebt so die Wirkung der Musik auf ein neues Niveau. Hallam: "Es war ein ziemlich gutes Gefühl, nach all den Jahren wieder die Leute der Band anzurufen und zu sagen, hey, wir sind so weit, es geht wieder los." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 5. 2001)