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Paris/Berlin - Der Anstoß zur neuen Debatte um die Zukunft der Europäischen Union kam vor einem Jahr: Außenminister Joschka Fischer hielt als "Privatmann" an der Berliner Humboldt-Universität eine Rede, die vor allem in Paris ein großes Echo auslöste. Beiträge des französischen Präsidenten Jacques Chirac, Bundespräsident Johannes Rau (SPD) und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) folgten. Am Montag ist der französische Premierminister Lionel Jospin mit einer seit Monaten erwarteten Grundsatzrede an der Reihe. Im Folgenden die Positionen in ihren Grundzügen: Nach Auffassung von Fischer soll die EU auf lange Sicht zu einer echten Föderation auf Grundlage eines Verfassungsvertrages ausgestaltet werden. Das Europäische Parlament soll zwei Kammern bekommen: eine aus gewählten Abgeordneten, die zugleich Mitglieder der nationalen Parlamente sind, und eine zweite, die einem Senatsmodell oder in etwa dem deutschen Bundesrat entsprechen könnte. Für eine europäische Regierung sieht Fischer zwei Möglichkeiten: Entweder wird der EU-Rat zum Exekutivorgan oder die Kommission mit einem direkt von den Bürgern gewählten Präsidenten. Chirac antwortete im Juni vergangenen Jahres mit der Idee einer "Avantgarde-Gruppe", einem Zusammenschluss besonders integrationswilliger EU-Staaten. Zur Weiterentwicklung der europäischen Institutionen äußerte er sich in seiner Rede vor dem Bundestag nicht detailliert, machte sich aber für die Nationalstaaten stark. Auch Chirac sprach sich für eine europäische Verfassung aus. Im April dieses Jahres plädierte Rau vor dem EU-Parlament für eine "Föderation von Nationalstaaten" mit eigener Verfassung. Seines Erachtens sollen EU-Parlament und Rat Bestandteile eines Zwei-Kammer-Systems werden: Das EU-Parlament soll mit mehr Rechten ausgestattet und eine wirkliche Bürgerkammer werden; der Rat wird demnach zu einer Staatenkammer und vertritt die Interessen der Nationen. Beide Kammern sollen gleichberechtigt entscheiden und gemeinsam den Präsidenten der EU-Kommission wählen. Auch im SPD-Leitantrag Schröders wird eine Umwandlung des Rates in eine Staatenkammer vorgeschlagen, die Kommission soll zu einer "starken europäischen Exekutive" werden. Das EU-Parlament soll mehr Rechte bekommen, es soll über alle Haushaltsfragen entscheiden. Dagegen sollen die besonders teure Agrarpolitik und Regionalförderung der Zuständigkeit Brüssels möglichst wieder entzogen werden. (APA)