Neu-Delhi/Islamabad - Indien hat überraschend den pakistanischen Militärmachthaber Pervez Musharraf zu Friedensgesprächen eingeladen, gleichzeitig aber einen einseitigen Waffenstillstand gegen moslemische Separatisten in Kaschmir für beendet erklärt. Der indische Verteidigungsminister Jaswant Singh sagte in einer Stellungnahme, die offizielle Einladung an Musharraf werde schon bald erfolgen. Pakistan nahm nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens das Gesprächsangebot an. In Indien stieß die Initiative Vajpayees am Donnerstag auf breite Zustimmung. Musharraf will die Einladung annehmen. Milizen und Kommentatoren in Pakistan reagierten allerdings skeptisch. In einer am Mittwoch im Fernsehen vorgelesenen Erklärung betonte die pakistanische Regierung, sie sei an einer Lösung des Kaschmir-Konflikts "durch Dialog und in Übereinstimmung mit dem Interesse des Volkes von Kaschmir" bereit. General Musharraf habe sein Einverständnis zu Gesprächen bekundet: "jederzeit, an jedem Ort, auf jeder politischen Ebene." Es wäre das erste Treffen von Regierungsvertretern beider Seiten seit 1999, als Indien und Pakistan im Streit um Kaschmir erneut am Rande eines Kriegs standen. Maßnahmen gegen Terroristen Die Aufkündigung des sechsmonatigen Waffenstillstands kam überraschend. Beobachter hatten eine weitere Verlängerung der Feuerpause erwartet, die von den Rebellen in Kaschmir nicht akzeptiert worden war. Die indische Regierung begründete ihre Entscheidung mit der anhaltenden Gewalt der militanten Moslems in Kaschmir. "Deshalb sollen die Sicherheitskräfte die Maßnahmen gegen die Terroristen ergreifen, die sie für geeignet halten", erklärte Verteidigungsminister Singh. In Kaschmir erklärten die Regierungstruppen, sie wollten die Angriffe gegen die islamischen Separatisten wieder aufnehmen. Singh verwies jedoch darauf, dass die Lage entlang der Front während des Waffenstillstands relativ ruhig geblieben sei. Daher habe die Regierung entschieden, dass sich die Soldaten weiterhin zurückhalten sollten. Kaschmir ist zwischen Indien und Pakistan geteilt Neu-Delhi wirft Islamabad vor, die islamischen Separatisten in dem zu zwei Dritteln zu Indien gehörenden Himalaya-Gebiet zu unterstützen. Kaschmir ist zwischen Indien und Pakistan geteilt. Seit 1947 haben die heutigen Atommächte drei Kriege gegeneinander geführt, zwei davon um Kaschmir. Pakistan hatte im Dezember auf die indische Feuerpause in Kaschmir mit einem Waffenstillstand an der Grenze reagiert. Bis dahin hatten sich dort indische und pakistanische Truppen regelmäßig Gefechte mit Artillerie und Maschinengewehren geliefert. Eine Friedensinitiative Vajpayees war 1999 gescheitert, weil pakistanische Freischärler in den indischen Teil Kaschmirs einmarschierten. Indien wirft Musharraf vor, diesen Vorstoß, der beinahe zu einem neuen Krieg geführt hätte, gedeckt zu haben. Der "Jihad-Rat" in Pakistan, der die Milizen im indischen Teil Kaschmirs unterstützt, lehnte Gespräche zwischen Pakistan und Indien ab. Die Separatisten verlangen, einbezogen zu werden. (APA/dpa)