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St. Pölten/Wien – "Der Messianismus ist eine Antwort darauf, dass eine geordnete Zeit aus den Fingern gleitet", erklärt Historikerin Martha Keil (Institut für die Geschichte der Juden, St. Pölten) dem STANDARD, "und zwar sowohl die individuelle Lebenszeit wie die Geschichte in ihren Zeitenwenden." Wie das im Detail in der Geschichte der Juden aussieht, hat das Institut in seiner letzten Sommerakademie ausgeleuchtet.

Die Hoffnung auf die Wende zum endlichen Frieden ist zunächst nichts spezifisch Jüdisches oder Christliches, im ersten vorchristlichen Jahrhundert wurde sie fast wortgleich von den Propheten und römischen Dichtern beschworen: Der neugeborene Retter werde vor dem sicheren Tod bewahrt, das Lamm werde neben dem Wolf lagern. Bei den Römern sollte Augustus die Hoffnung einlösen, in Israel waren es mehrere Kandidaten, unter ihnen Jesus Christus, der aber die erhoffte Befreiung von den Römern nicht brachte und sich u. a. deshalb bei Juden disqualifizierte.

Denn die politische Befreiung bzw. die Wiederrichtung des Tempels und die Heimführung der Exilierten gehört zu den "Funktionen" des Messias, der für Juden – anders als für Christen – ein Mensch ist. Gemeinsam ist beiden wieder, dass man nicht weiß, wann der Messias (wieder)kommt, und dass man es gerne wissen möchte, was unter jüdischen Gelehrten auch zu Streit darüber führte, ob man es berechnen soll oder darf. Setzten die einen auf das komplexe System der Kabbala – im Jüdischen tragen Buchstaben und Zahlen dieselben Zeichen, weshalb man das Datum aus Worten der Schriften errechnen wollte -, sahen die anderen dadurch Gottes Pläne gestört. Wieder andere stärkten das Individuum – auch gegen die Gelehrten – und vertrauten darauf, dass jeder Einzelne durch richtiges Tun am Werk der Erlösung teilhaben kann.

Auch die Vorstellung der vorletzten Tage ist breit gefächert. Für die einen sind das die "Wehen des Messias" – Zeiten, in denen "Pferde aus Särgen Wasser trinken": Kriege, Chaos, auch Pogrome und selbst der Holocaust wurden so interpretiert -, andere hoffen auf ein Friedensreich als Vorstufe der Endzeit.

Wie auch immer – wenn er kommt, wird ihn jedermann erkennen. Und wie viele warten, zeigt die rege Nutzung des Internets, in dem die unterschiedlichsten Glaubensvarianten präsentiert werden (etwa: http://www.messianiccom/announce.htm oder http://www.chabad.org).

Allerdings ist er dort immer ein Mann. Bei der Präsentation des Tagungsbandes will Keil die Rede deshalb auch auf die "Idee eines weiblichen Messias" bringen.

(Buchpräsentation und Podiumsdiskussion: 23. Mai, 18.30, Wien, Nationalbibliothek, Oratorium; Informationen zur diesjährigen Sommerakademie: http://members. nextra.at/injoest)