Die sogenannte "Potenzbeule" zählt zu den beeindruckendsten Hervorbringungen automobiler Ingenieurskunst. Ihr Erscheinungsbild ist dezent und doch: Sofort verfängt sich der Blick an dieser sanften Erhebung auf der Motorhaube. Sie umwittert die Aura des Mysteriums. Gleich einem Palmers-Model wird die Verhüllung zur Provokation. Es ist nur die Ahnung des darunter Verborgenen und nicht das Wissen darum. Die "Potenzbeule" steht somit prototypisch für die phantasienährende Verhüllung. Nennen wir es einfachheitshalber das Katholische. Katholisch ausufernd Das Mysterium "Potenzbeule" verheißt das Walten unheimlicher Mächte dahinter, genauer darunter. Sie erzählt von einer nach Drehzahl lechzenden obenliegenden Nockenwelle und einem überdimensionierten und nach Sauerstoff gierenden "Kingdragon"-Luftfilter. Sie erzählt von einem kurz vor der Implosion stehenden Kraftwerk, das sich den Weg aus der bedrückenden Enge des Blechkleids suchen muss. Doch diese Erzählung ist ein Märchen. Die "Potenzbeule" ist ein Offenbarungseid der Tuning-Industrie. Technisch sinnlos wie ein Kropf. Ein naturgewordener Bluff. Hier endet der katholische Teil dieser Geschichte. Es folgt der protestantische. Protestantisch streng Im Autokonzern: Ein Auto wird konstruiert. MotorenbauerInnen bauen einen Motor. KarosseriedesignerInnen designen eine Karosserie. Heraus kommt ein Blech mit Motor drumherum. Es ist ein Auto. Achtung: Sie merken, irgendetwas ist FALSCH an der Geschichte. Um es kurz zu machen: BIS JETZT HABEN ES AUTOKONSTRUKTEURiNNEN NOCH IMMER GESCHAFFT, EINEN MOTOR IM DAFÜR VORGESEHEN MOTORRAUM UNTERZUBRINGEN. "Potenz-Beulen" in Großserie gibt es. Sie sind jedoch Blendwerk ohne Funktionalität. Alles andere ist den ölverschmierten Händen der "Urgeil-da-passt-ja-wirklich- ein-Corrado- Sechszylinder-Murl-unter-die-Haube-meines- 81-er-Polo-rein"-Fraktion entsprungen. Eine Ideologie, die sich aus der US-amerikanischen Muscle-Car-Szene und den unzähligen "Speed & Crash"-Filmen der 70er nährt. Aufklärung Einmal über den Atlantik geschwappt, verkam der Kult angesichts unzähliger EU-Normen zum Genre. Und das ist gut so. So kann der Ersatzdroge "Potenz-Beule" durchaus Daseinsberechtigung zugebilligt werden: Lieber eine Beule im Blech als ein Loch in der Ozonschicht. Bleibt nur noch zu verhandeln, warum die Blechblase im Volksmund "Potenz-Beule" gerufen wird. Zwei Denkschulen haben sich etabliert: Die eine vertritt den rein technischen Ansatz und verweist auf das Versprechen Motorkraft. Die andere ... Bitte helfen Sie mit. (kommunikaze)