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Foto: APA/dpa/Wolfgang Kumm
Innenpolitisch hat der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder in den fast tausend Tagen seit Amtsantritt allerhand zuwege gebracht: von der Steuer- über die Rentenreform bis zum Atomausstieg. Außenpolitisch hat der Regierungschef, der die Richtlinienkompetenz auch auf diesem Feld beansprucht, nicht allzu sehr geglänzt. Ausnahmen sind seine Vorschläge zur EU- Reform und die deutsche Beteiligung am Kosovo-Militäreinsatz, mit der er sich den Respekt der Nato-Partner, vor allem der USA, erwarb. Doch genau diese Wertschätzung steht durch jüngste Indiskretionen auf dem Spiel. Was aus dem Gespräch von Schröder mit US-Präsident George Bush Ende März durch einen an die Öffentlichkeit gelangten Brief des deutschen Botschafters in Washington bekannt wurde, ist ein diplomatischer Super-GAU. Es wird nicht nur die Vertrauensbasis zu den USA, sondern auch zu Libyen, Jordanien, Syrien und den Palästinensern, über deren Führungsspitze sich die hochrangigen Politiker ausgelassen haben, nachhaltig beeinträchtigt. Auch das Verhältnis zu Russland wird durch Absprachen hinter Präsident Wladimir Putins Rücken beschädigt. Bei Beobachtern stellt sich ein Déjà-vu-Effekt ein. Schon einmal war eine Depesche aus Washington von Botschafter Jürgen Chrobog im Kanzleramt nicht richtig bewertet worden. Chrobog hatte im Vorjahr gewarnt, dass die USA den deutschen Kandidaten Caio Koch-Weser als Chef des Internationalen Währungsfonds nicht akzeptieren würden. Schröder brüstete sich aber weiterhin damit, dass die Kür praktisch fix sei - und blamierte sich international. Auch bei den EU-Beitrittskandidaten hat das Auftreten Schröders im ersten Regierungsjahr viel Porzellan zerschlagen. Dass Deutschland nicht mehr in erster Linie Anwalt der EU-Anwärter sein wollte, sondern die eigenen Interessen in den Vordergrund stellte, sorgte vor allem in Polen für Verstimmung. Von der Opposition und auch von Teilen der Regierung wurde Schröder für die Verteidigung der Sanktionen der EU-14 gegen Österreich kritisiert. Es spricht auch nicht für diplomatisches Geschick, wie der Ende dieser Woche anstehende Wien-Besuch in Berlin vorbereitet wurde. Dass Schröder auch SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer trifft, ist selbstverständlich. Dass in der Kreisky-Villa ein Fest mit Regierungskritikern arrangiert und ein Treffen mit Intellektuellen von André Heller organisiert wird, ist schon ungewöhnlicher. Dann darf man sich nicht über Reaktionen wundern, auch nicht, wenn die Treffen als selbstverständlich dargestellt werden. Dieser diplomatische Drahtseilakt kann nicht gelingen: einerseits auf eine Signalwirkung zu hoffen, indem mehr Zeit für Regierungskritiker als für Schüssel eingeplant wird, andererseits die Regierung in Wien nicht vergrätzen zu wollen. Unterm Strich ist die Wirkung negativer, als wenn Schröder gar nicht gekommen wäre. Die meisten Fehler hängen damit zusammen, dass Schröder nur oberflächliches Interesse an Außenpolitik hat. Sein Ansatz ist: Was nützt mir das innenpolitisch? So ist der Vorschlag für Übergangsfristen bei der EU-Erweiterung zu bewerten und die Kehrtwende, warum sich Schröder dann doch für das US-Raketenabwehrsystem ausgesprochen hat. Denn er verknüpfte dies mit der Forderung nach deutscher Beteiligung, was Arbeitsplätze verspricht. Damit will Schröder Wahlen gewinnen. Mit außenpolitischen Themen gelingt dies nicht. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 22. 5. 2001)