Ich wohne im "Kämp" und was phonetisch wie "Lager" klingt, ist das beste Hotel in ganz Skandinavien. 1887 erbaut - schon damals ein Flaggschiff der Hotellerie - 1950 begann der Niedergang, 1969 als Bank wieder eröffnet, 1995 das endgültige Aus. Dann erbarmte sich die amerikanische Starwood-Gruppe, nicht ganz uneigennützig, renovierte das Juwel und machte daraus ein Schmuckkästchen. Und wie das bei solchen Luxusherbergen so ist, am liebsten ginge man gar nicht mehr aus dem mit Fackeln beleuchtetem Portal. Muss aber sein.

Erster Tag

Die Esplanade liegt de facto vor der Türe, die Bummelmeile schlechthin, belebt, begrünt, begrenzt vom Südhafen, wo die riesigen Fährschiffe nach Stockholm schippern (Stichwort Butterfahrt, der EU ein Dorn im Auge und somit bald zu Ende, oder es fällt den findigen Finnen wieder ein fiskalischer Ausweg ein) und nach Tallin (dem Einkaufsmekka der Finnen schlechthin, was bei den Preisen im Land kein Wunder ist). Ein Sprung in den alten Markt, meterweise frischer Lachs - herrlich auf dunklem Roggenbrot mit einem Hauch von Dille. An der anderen Seite der Esplanade der berühmte Bahnhof von Eliel Saarinen, ein Werk der Nationalromatik. Neuerdings durch eine gewagte Stahl-Glas-Konstruktion über den Bahnsteigen nicht nur architektonisch aufgewertet. Helsinki ist klein und somit sehr übersichtlich, am Senatsplatz kommt niemand vorbei. Ist auch gut so. Er mag vielleicht nicht "einer der schönsten Plätze der Welt sein" wie die Finnen gerne behaupten. Aber die streng klassizistische Gestaltung des Architekten Carl Ludwig Engel (1816) ist beeindruckend und sehenswert. Politisch interessant. Die Staatspräsidentin und die Bürgermeisterin residieren nachbarschaftlich nahe. Überhaupt - sagt meine Begleiterin - sind Frauen hier sehr präsent.


Zweiter Tag

Zeit und Muße, einfach zu bummeln. Blitzsauber, das war zu erwarten. Freundliche, lachende Menschen "das passiert nur im Sommer" sagt man mir. Überall wunderschöne Häuser im Jugendstil, der sich in nordischen Landen viel weniger überkandidelt präsentiert. Nette, kleine, lokale Geschäfte, nicht nur die ewig gleichen multinationalen Anbieter, die jede Shoppingmeile der Welt beherrschen. Die Felsenkirche ist ein Muss, sie liegt unterirdisch und zeichnet sich durch besondere Architektur und herrliche Akustik aus. Auch die abstrakte Stahlkonstruktion des Sibelius-Denkmals ist einen Besuch wert. "Welcome home" sagt der Doorman, auch wenn man nur 48 Stunden in diesem Luxushaus ist.


Essen und Trinken

Die Finnen sind die Weltmeister im Kaffeetrinken, deshalb gibt es auch viele nette Kaffeehäuser, als Beispiele das "Ursula" und das "Carusel" an der Strandpromenade. In vielen Cafés wird abends Livemusik gespielt, von Jazz bis Folklore. Trinken ist bekanntlich teuer, man hält sich am besten ans Bier. Finnisch gegessen wird beispielsweise im "Cosmos", im "Kartano" und im "Karelia". Wenn Ihnen nach Lappen-Speisen zumute ist, dann im "Lappi".

Ganz persönlich

Ich gebe es zu, ich bevorzuge südliche Lande und den südlichen Rhythmus des Lebens. Von Küche und Keller ganz zu schweigen. Aber es ist schon sehr beeindruckend, wenn in nördlichen Ländern plötzlich so etwas wie der Sommer hereinbricht. Tag eins: grau. regnerisch, kühl. Tag zwei: warm, sonnig, frühsommerlich. Was für ein Unterschied in der Stadt. Von heute auf morgen hat sie sich ordentlich verändert. Lachende Menschen auf den Terrassen und in den Gärten. Im Hafen beginnen kleine Boote zu den vorgelagerten Inseln zu fahren. Hübsche Mädchen haben sich aus ihren Parkas geschält und die lächerlichen Pudelmützen abgenommen. Ohne Vorwarnung rennen sie halb nackt herum. Und im Sommer wird das alles noch viel lebendiger, versichert man mir glaubhaft, bevor wieder der lange Winter hereinbricht. (Susanne Mitterbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 2001)