Wien - Eine Bestandsaufnahme sowie Vorschläge für eine Verbesserung der nicht befriedigenden Situation des österreichischen Kapitalmarktes standen im Mittelpunkt eines Kapitalmarkt-Symposiums der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Wiener Börse AG (WBAG), das am Freitag in Wien stattfand. WKÖ-Generalsekretär Reinhold Mitterlehner ortet wesentliche Impulse für den Kapitalmarkt durch die betriebliche Altersvorsorge, insbesondere im Rahmen der "Abfertigung neu". Allein daraus könnten jährlich 25 Mrd. S (1,8 Mrd. Euro) jährlich in den Kapitalmarkt fließen. So genannte "business angels" könnten die Finanzierung von Klein- und Mittelbetrieben (KMU) statt über Bankkredite zunehmend auf Eigenkapital verlagern. Vorstellbar seien etwa 3 und 5 Mill. S für 200 bis 300 Unternehmen aus privaten Mitteln, in Summe rund eine Mrd. "Vertrauenskrise" Zudem müsse der Finanzminister Anreize schaffen, etwa durch einen Beteiligungsfreibetrag in Höhe von 20.000 Euro (275.200 S). Auch die Pensionskassen sollen in Sachen Risikokapital verstärkt aktiv werden können. Eine wesentliche Rolle für die Wiener Börse werde der Verlauf der weiteren ÖIAG-Privatisierungen spielen, erwartet der WKÖ-Generalsekretär, für den die Vorgänge rund um die Abberufung der AUA-Vorstände "nicht zur Vertrauensbildung in diese Richtung beigetragen" haben. Der missglückte Börsegang der Telekom Austria mit anschließenden Kursverlusten bis zu 40 Prozent habe eine "Vertrauenskrise" bei den Anlagern ausgelöst. Die Börse sei nur ein Baustein im Kapitalmarkt eines Landes, unterstrich Börse-Vorstand Stefan Zapotocky. Die Wirtschaft müsse sich verstärkt um Eigenkapital bemühen. Eine Integration des Wiener Marktes etwa in die Frankfurter Börse wäre keine Lösung, denn "einen Kapitalmarkt kann nur das Land selbst entwickeln". Ehrgeizige Ziele Die WBAG hat sich bis zum Jahr 2005 ehrgeizige Ziele gesteckt: Der Anteil der in Aktien investierten Privatanleger soll von 7,45 auf 12 Prozent steigen, die Kapitalisierung von derzeit 15 auf 22 bis 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ansteigen. Der durchschnittliche Streubesitzanteil soll von 40 auf 60 Prozent klettern. Investoren-Plattform Eine Investoren-Plattform aus bis zu zehn Personen soll die heimische Aktienkultur verbessern, wobei der Anleger im Vordergrund stehen soll. Die Börse plant eine Privatinvestoren-Kampagne sowie einen Ausbau ihrer Homepage . "Unterentwicklung" Grundlage vieler Überlegungen ist eine von der Boston Consulting Group (BCG) erstellte Studie. Diese bescheinigt dem österreichischen Kapitalmarkt eine "Unterentwicklung" im internationalen Vergleich. Mit einem Handelsvolumen von 10 Mrd. US-Dollar (11,34 Mrd. Euro/156 Mrd. S) und einer Marktkapitalisierung von 30 Mrd. Dollar oder 16 Prozent des BIP lag die Wiener Börse im Jahr 2000 im Europa-Vergleich auf einem der letzten Plätze. Das geringe Angebot sei unter anderem auf die große Zahl nicht börsenotierter KMU sowie auf viele Übernahmen durch ausländische Unternehmen zurückzuführen. In Wien fehlen Wachstumswerte oder internationale Branchenmarktführer, weiters trügen der geringe Streubesitz und die teilweise nicht zufriedenstellende Gewinnentwicklung börsenotierter Unternehmen zur geringen Attraktivität des Angebots bei, so die BCG. (APA)