Denkt man an Isabelle Huppert, dann hat man sofort diesen Eindruck vor Augen: distanziert, die schmalen Lippen fest geschlossen, ein ätherisches, scheinbar unangreifbares Wesen, hinter dessen kühler Fassade Untiefen verborgen liegen. Huppert wurde 1955 in Paris geboren. 1971 debütierte sie als 16-Jährige in Nina Companéez' Faustine . In César et Rosalie von Claude Sautet war sie noch an der Seite der älteren Schauspielergarde zu sehen, in Bertrand Bliers skandalumwitterten Les Valseuses kreuzte sie bereits die Wege von Gérard Depardieu, Patrick Dewaere und Miou-Miou, Akteure jener Generation, deren maßgebliche Vertreterin sie in den folgenden Jahrzehnten werden sollte. In seiner Geschichte des französischen Kinos schreibt Jean-Michel Frodon, ihre erste große Hauptrolle in Claude Gorettas Spitzenklöpplerin (1977) habe Huppert nicht nur ausgezeichnet, sondern auch gezeichnet: Über Jahre hinweg wurde sie nach ihrer beeindruckenden Darstellung einer jungen Frau, die sich in eine Art "sentimentalen Autismus" zurückzieht, vor allem als Inbegriff einer strengen, stummen Leidenden eingesetzt. Und das, obwohl einzelne Regisseure sie bereits früh gegen dieses Bild anspielen ließen. Bei Maurice Pialat in Le loulou (1984) etwa konnte sie, in eine heftige körperliche Beziehung mit Gérard Depardieu verwickelt, unglaublich mitreißend und wild agieren. Auch Claude Chabrol, einer ihrer wichtigsten Kollaborateure, räumte ihr als gewitzte Betrügerin neben Michel Serrault erst spät die Chance ein, sich als feinsinnige Komödiantin auszuweisen. ( Rien ne va plus , 1997). Der Sonntagabend bescherte Isabelle Huppert als Klavierspielerin in Cannes einen Triumph in Form einer Auszeichnung als "Beste Darstellerin" - ihre zweite nach Violette Nozière 1978. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20. 5. 2001, ergänzt um die Auszeichnung von Sonntagabend)