Islamabad, im Mai - In Pakistan warten 4.500 zum Tode verurteilte Straftäter auf ihre Hinrichtung. Viele von sitzen schon seit Jahren in der Todeszelle, und jedes Jahr werden es 600 mehr. Nach Angaben der Pakistanischen Menschenrechtskommission (HRCP) hat das Land damit einen traurigen Rekord gebrochen. Niemals zuvor drohte in Pakistan so vielen Menschen die Hinrichtung. Zugleich gehört Pakistan damit weltweit zu den Nationen, in denen am freigebigsten mit der Maximalstrafe umgegangen wird. Allein in den letzten drei Jahren wurden 1.916 Menschen in Pakistan zum Tode verurteilt, 107 von ihnen wurden seit 1998 hingerichtet. Inklusive der vor 1998 Verurteilten mache dies 4.500 Häftlinge, die auf den Henker warteten. Und ohne eine tiefgreifende Reform des pakistanischen Strafrechts werden es nach Ansicht des HRCP-Direktors I. A. Rehman, noch mehr werden. Laut Rehman ist der Grund für diesen steilen Anstieg die seit den 1980er Jahren von fast jeder Regierung betriebene Ausweitung von Straftatbeständen, für die die Todesstrafe verhängt werden kann. Den Anfang machte der damalige Militärdiktator General Zia ul-Haq. Während die Verfassung von 1973 die Todesstrafe nur für vorsätzlichen Mord, Meuterei, Landesverrat und Hochverrat vorsah, weitete sie General Zia auf Kindesentführung, Blasphemie und andere Straftatbestände aus. Nachfolgende Regierungen folgten dem Beispiel und setzten Massenvergewaltigung, Drogenhandel und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auf die Liste. Kriminalität in Pakistan steigt trotz Todesstrafe "Ganz im Gegensatz zum internationalen Trend und dem Rat, die Liste der Verbrechen zu verkleinern, war Zia ein entschiedener Anhänger der Theorie der Abschreckung und seine Nachfolger ebenfalls", fasst Rehman zusammen. Die Entwicklung der letzten Jahre habe jedoch bewiesen, dass diese Theorie falsch sei. Tatsächlich steigt die Kriminalität in Pakistan seit Jahren an, auch bei Verbrechen, auf die die Todesstrafe steht. Im vergangenen Jahr wurden 50.000 Fälle von Mord, Mordversuch, Mord nach Vergewaltigung und Entführung registriert. Dies bedeutet einen Anstieg von 100 Prozent gegenüber dem Jahr 1999. Zum Tode Verurteilten steht in Pakistan, wie in vielen anderen Ländern auch, die Möglichkeit eines Berufungsverfahrens - zuerst am zuständigen Obergericht der jeweiligen Provinz und schließlich beim Obersten Gerichtshof des Landes - offen. Auch nach der letztinstanzlichen Bestätigung eines Urteils können sie noch ein Gnadengesuch an den Staatspräsidenten einreichen. Für die Insassen der Todeszelle bedeutet dies in Pakistan jedoch jahrelange und manchmal jahrzehntelange Wartezeiten, denn die Gerichtsbarkeit ist mit der Vielzahl der Verfahren überfordert. Derzeit liegen 40 Gnadengesuche bei Staatspräsident Rafiq Tarar, sieben dieser Gesuche liegen schon seit fünf bis acht Jahren vor, alle übrigen seit mehr als zehn Jahren. Beim Obersten Gerichtshof stapeln sich derweil die letztinstanzlichen Berufungen. Genau 1.599 Fälle muss das Gericht noch bearbeiten, mindestens 28 davon sind schon seit acht Jahren anhängig. Auf allen Ebenen der Justiz, vom Provinzgerichtshof bis zum Staatspräsidenten, muss noch über 1.858 Todesurteile entschieden werden. Menschenrechtler fordern nun, die Zahl der Straftatbestände, die mit der Todesstrafe bewehrt sind, drastisch zu verringern und zusätzliche Möglichkeiten zur Umwandlung von Todesurteilen zu schaffen. Dazu zählt jedoch nicht die in Pakistan schon seit langem bestehende Möglichkeit der Bezahlung von 'Blutgeld', mit dem sich ein Täter durch die Entschädigung der Familie des Opfers freikaufen kann. Wie der Anwalt Wahabul Khairi berichtet, ist gerade diese Variante einer der Gründe für den langsamen Fortgang der Verfahren. Viele Anwälte versuchten die Prozesse zu verzögern, um mehr Zeit für eine Einigung über Blutgeld zu haben. (IPS)