Großbritannien
Blair präsentiert Wahlprogramm
Skepsis gegenüber Euro-Einführung - Arbeitsmarktprogramm soll Lehrer und Ärzte fördern
Birmingham - Der britische Premierminister Tony Blair hat in seinem Wahlkampfprogramm seine abwartende
Haltung zu einem Euro-Beitritt bekräftigt. In dem am Mittwoch in Birmingham vorgestellten Manifest "Ambitions for Britain" (etwa: Ziele für
Großbritannien) hielt sich die britische Regierung auch zu den Plänen der US-Regierung für ein Raketenabwehrsystem zurück. Bei der
Innenpolitik versprach Blair für den Fall einer Wiederwahl am 7. Juni, die individuelle Steuerlast nicht zu erhöhen und die Wirtschaft weiter
stabil zu halten. Umfragen sagen einen deutlichen Sieg der regierenden Labour-Partei unter Blair voraus. ****
Blair zufolge würde sich eine neue Labour-Regierung weiter an Europa und der Gestaltung der EU beteiligen. Die britischen Interessen sollten
dabei gewahrt bleiben. "Ich möchte Großbritannien zu einer Schlüssel- und Führungsfigur in Europa machen", sagte Blair. Sollte das Land
jedoch nicht der Währungsunion beitreten, würde dies den britischen Einfluss verringern, mahnte er. Labour befürwortet grundsätzlich einen
Beitritt zur Euro-Zone, macht diesen jedoch von der Wirtschaftslage und der Zustimmung der britischen Bevölkerung abhängig. Umfragen
zufolge lehnen 70 Prozent der Briten den Euro ab.
In dem 44 Seiten langen Manifest kündigt Labour an, die USA zu engen Beratungen mit den NATO-Verbündeten über die Raketenabwehr
ermuntern zu wollen. Zudem würden Gespräche mit Russland über neue Rahmenbedingungen der strategischen Rüstungkontrolle geführt.
Diese sollten eine weitere Reduzierung der Zahl der Atomwaffen zur Folge haben. Die US-Pläne könnten einen Umbau der amerikanischen
Radar-Station in Nordengland erforderlich machen. Großbritannien ist nach eigenen Angaben jedoch bisher nicht von den USA dazu
angesprochen worden.
Auch sonst woll Blair mit radikalen Reformen Großbritannien in den kommenden zehn Jahren grundlegend verändern und ein "gerechteres
und wohlhaberendes" Land schaffen. Im chronisch unterfinanzierten Bildungs- und Gesundheitswesen und bei der Verbrechensbekämpfung
sollten Privatfirmen Aufgaben übernehmen. An erster Stelle des Zehn-Punkte-Programms von "New Labour" steht die wirtschaftliche
Stabilität. Willkommene Rückendeckung gaben Blair die am Mittwoch veröffentlichten Arbeitslosenzahlen: Danach sank die Zahl der
Erwerbslosen auf rund 975.000 und erreichte damit den tiefsten Stand seit 25 Jahren.
Für den Fall des Labour-Wahlsieges sollen tausende neue Ärzte, Lehrer, Polizisten und Krankenschwestern eingestellt werden. Blair will rund
20.000 Krankenschwestern, 10.000 Ärzte, 10.000 Lehrer und 6.000 Polizisten zusätzlich einstellen. "Wir wissen, dass es noch viel zu tun
gibt", sagte Blair. Für einen Renter, der auf eine Operation warte, oder eine Mutter, die sich um die Qualität der Schulen sorge, könnten die
Veränderungen gar nicht schnell genug kommen. Weiter erklärte Blair, für Menschen, die wiederholt straffällig würden, sollten die
Gefängnisstrafen verlängert werden. Im Justizwesen wolle er jedoch die Rehabilitation stärker betonen.
Von den sozialistischen Wurzeln der Partei ist das Programm denkbar weit entfernt. In einer indirekten Warnung an Gewerkschaften und den
linken Flügel seiner eigenen Partei betonte Blair, der Weg zu Verbesserungen im öffentlichen Sektor dürfe von "keinerlei Barrieren, Dogmen
oder versteckten Interessen" versperrt werden.
Oppositionsführer Hague kritisierte die Regierungspolitik bei einem Wahlkampfauftritt im Londoner Millenium-Dome als "seicht und
substanzlos". Ein Kabinett unter seiner Führung werde die Verbrechensbekämpfung ganz nach oben stellen, versprach er. Auch der
Vorsitzende der oppositionellen Konservativen, Michael Ancram, erklärte, das Manifest enthalte viele Versprechen, die Blair nicht einhalten
werde. In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage lag jedoch die Labour-Partei rund 15 Prozentpunkte vor den Tories. Umfragen sagen
Labour für die Wahl am 7. Juni einen haushohen Sieg voraus. (APA/Reuters/AP)