Mensch
Gemeinsam oder getrennt?
"Wir müssen den Konflikt in eine Zusammenarbeit verwandeln"
Wien - "Wir können einen Fortschritt nur bewerkstelligen,
wenn wir alle zusammenarbeiten. Wir müssen den Konflikt in eine
Zusammenarbeit verwandeln." - Das erklärte der Chef des Pekinger
Genom-Forschungsinstituts, Huanming Yang.
Am Mittwoch standen bei dem Kongress mit rund 4.000 Teilnehmern -
so auch bei einer Pressekonferenz - die Diskussionen rund um die
Patentierung von Gensequenzen auf dem Programm der Veranstaltung.
Praktisch seit Beginn der Entschlüsselung von Erbgut von Organismen -
genau so bei der Entwicklung von Techniken für die Genforschung -
gibt es einen Streit zwischen den privaten Unternehmen und der
akademischen bzw. aus öffentlichen Geldern finanzierten Forschung.
Alistair Kent von der britischen Patientenrechtsorganisation
"Patients Interest Group": "Die Patienten sind ungeduldig, was die
Umsetzung von Wissenschafts-Ergebnissen in einen Nutzen für sie
betrifft. Patente sind ein Kontrakt zwischen den Erfindern und der
Gesellschaft. Ich glaube, dass die Richtlinien für die Erteilung von
Patenten für die Genforschung sehr rigide gehandhabt werden sollten.
Da gibt es bei den Anträgen auch einen großen Teil von Opportunismus.
Die grundlegenden Informationen über das Genom sollten jedenfalls
frei zugänglich sein."
Andere Seite
Freilich, das US-Patentbüro und im Hintergrund private Unternehmen
wie Craig Venters Celera-Genom-Sequenzierfirma stehen auf der anderen
Seite. Yang, dessen Labors zu den zehn größten Teilnehmern am
HUGO-Projekt gehörte: "Das US-Patentbüro hat bei seiner neuesten
Richtlinie zahlreiche unserer Einwände nicht berücksichtigt. Eine
Stellungnahme von Craig Venter sagte ganz klar, dass es seinem
Unternehmen um die Monopolisierung der genetischen Resourcen unseres
Landes geht."
Ein Ausweg sei allein die Kooperation. Der chinesische
Wissenschafter: "Die Sequenzierung des menschlichen Genoms war ein
veritables Rennen. Wir (das HUGO-Projekt) haben es gewonnen. Ob
Industrie- oder Entwicklungsländer, ob öffentlicher oder privater
Bereich, wir müssen zusammenarbeiten. Unser Geld kommt nicht aus
unseren Rocktaschen, sondern aus den Mündern unserer Bevölkerung."
Info-Jäger und Sammler
Heikel sind rund um die Genomforschung auch wenn es darum geht,
dass Unternehmen weltweit unterwegs sind, um die genetische
Informationen zu bekommen. Yang: "US-Zeitungen haben berichtet, dass ein US-Unternehmen unter
dem Deckmantel von Gesundheits-Untersuchungen bei 16.400 Chinesen
Blut abgenommen hat. Das geschah ohne die Zustimmung der Betroffenen
(zum dahinter liegenden Verwendungszweck, Anm.). Sie sind eingeladen,
bei uns zu forschen. Nur, tun Sie das so, wie Sie es auch in Ihrem
Land tun."
Ein Beispiel für eine internationale Kooperation: Binnen drei
Jahren wollen die chinesischen Forscher in Zusammenarbeit mit
dänischen Wissenschafter das komplette Genom des Schweines
sequenziert haben.
Als positiv wird auch das internationale Projekt zur
Identifizierung der individuellen Abweichungen von Markern zwischen
der Genomsequenz von Mensch zu Mensch
(Single-Nukleotid-Polymporphismen) anerkannt: Hier haben zehn
Pharmakonzerne, der britische Wellcome Trust und Unternehmen wie
Motorola und IBM bisher schon 1,4 Millionen derartiger Polymorphismen
- also von Genomvarianten - identifiziert. Sie sollen in Zukunft
Aufschluss über die Anfälligkeit für Krankheiten oder die Gefährdung
durch potenzielle Arzneimittelwirkungen geben. Dalia Cohen vom
Pharmakonzern Novartis: "Die Informationen darüber werden sofort in
öffentlich zugänglichen Datenbanken gespeichert."
Datenschatz versus Datenschutz
Daneben gibt es aber auch noch das Riesenproblem des Datenschutzes
bzw. der Begehrlichkeit der Menschen selbst, was Gen-Informationen
betrifft. Die US-Expertin Dorothy Wertz von der Medizinischen
Fakultät der Universität von Massachusetts, deutsche und französische
Wissenschafter haben eine groß angelegte Umfrage bei rund 1.500
Patienten gemacht, die sich genetischen Untersuchungen unterzogen.
Dabei stellte sich heraus, dass die Patienten selbst ausgesprochen
begehrlich waren, was Auskunft und Verwendung der Daten betraf:
- Die Patienten sahen die "genetische Privatsphäre" eher als
"Familienangelegenheit" denn als "individuelles Recht".
- Die Betroffenen waren der Meinung, dass Ärzte das Recht haben
sollten, vertrauliche Informationen weiterzugeben, wenn das von
Nutzen für Verwandte sein könnte. Die Hälfte der Patienten erklärte,
auch Lebenspartner sollten Zugang zu den medizinischen Daten des
Anderen bekommen.
- Fast alle Patienten erklärten, den Eltern sollte das Recht
eingeräumt werden, ihre Kinder beispielsweise auf eine genetische
Brustkrebsgefährdung testen zu lassen, auch wenn es noch kein Mittel
zur Prophylaxe von Kindesalter an gibt.
- Allerdings, gegen die Weitergabe von Geninformationen an
Versicherer und Arbeitnehmer sprach sich ebenfalls eine Mehrheit der
Befragten aus.
Nationale Unterschiede
Die amerikanischen Teilnehmer an der Umfrage wollten dem
Individuum so ziemlich alle Rechte bei der Benutzung von
Gen-Informationen einräumen. Die Franzosen waren eher
Vorsorge-orientiert. Die Deutschen hingegen reagierten viel
restriktiver.
Rund um Gendaten gibt es aber auch noch ganz andere Gefahren.
Alistair Kent, der Vertreter der britischen "Genetic Interest Group":
"Bei uns hat man vor kurzem ein Gesetz ganz schnell durch das
Parlament beschlossen, das es der Polizei erlaubt, umfangreichst
Gendaten zu sammeln und aufzubewahren. - Egal, ob man mit einem
Verbrechen zu tun haben könnte oder nicht. Das
(APA)