Mensch
Mitochondrien und Krebs
Gentische Veränderungen in den "Kraftwerken der Zellen" scheinen eine wichtige Rolle zu spielen
Wien - Krebs ist offenbar nicht nur eine Angelegenheit der
Erbsubstanz im Zellkern. 60 Prozent von Frauen mit Brustkrebs weisen
auch genetische Veränderungen in den "Kraftwerken" der Zellen - den
Mitochondrien - auf. Das erklärte am Mittwoch beim Internationalen
Humangenetik-Kongress in Wien der argentinische Wissenschafter N.
Bianchi.
Bisher hat sich die Krebsforschung vor allem auf die
Gen-Veränderungen konzentriert, die bei der Entstehung von bösartigen
Erkrankungen im Zellkern auftreten. Dort ist der Hauptteil des
menschlichen Genoms. Bei vererbbarem Brustkrebs wurden bisher
beispielsweise die BRCA1 und BRCA2-Gene im Zellkern identifiziert.
Trägerinnen haben ein extrem hohes Risiko an Mammakarzinomen und/oder
Eierstockkrebs zu erkranken.
Doch auch die in jeder Zelle vielen Tausend "Kraftwerke", die für
die Energieversorgung zuständig sind, befindet sich Erbsubstanz. Sie
wird mütterlicherseits vererbt. Auf ihrer Analyse beruht die
Erkenntnis, dass "Eva" als Urmutter des Menschengeschlechts aus
Afrika stammen muss.
Die argentinischen Wissenschafter untersuchten 40 Frauen mit
Brustkrebs auf genetische Veränderungen im Kern von Tumorzellen und
im Erbgut der Mitochondrien.
Bianchi: "60 Prozent der Brustkrebspatientinnen wiesen auch
Instabilitäten in den Mitochondrien auf. Das heißt, es handelte sich
um Mutationen, die nicht vererbt worden waren, sondern erst mit der
Entstehung des Tumors auftraten."
Die Erkenntnisse könnten Auswirkungen auf die Behandlung von
Frauen mit Brustkrebs haben. Der Wissenschafter aus La Plata: "Wir
glauben nicht, dass diese Veränderungen in den Mitochondrien für die
Entstehung von Brustkrebs selbst verantwortlich sind. Aber sie haben
wahrscheinlich etwas zu tun mit der Reaktion der Erkrankten auf die
Chemotherapie."
Da die "Kraftwerke der Zelle", die Mitochondrien, im Mittelpunkt
des Stoffwechsels stehen, könnte in Tumorzellen von ihnen abhängen,
ob ein Krebsmedikament schneller oder langsamer abgebaut wird bzw.
wie die Tumorzelle auf das toxische Arzneimittel reagiert. Davon kann
der Effekt einer solchen Chemotherapie abhängen.(APA)