Kuwait
Kuwait: Diskutieren in den "Diwaniyyahs"
Alte basisdemokratische Tradition erfreut sich wachsender Beliebtheit
Dubai - In der Erbmonarchie Kuwait erfreut sich
eine alte basisdemokratische Tradition großer Beliebtheit.
"Diwaniyyah" heißt die Einrichtung und ist ein informeller
Gesprächszirkel, bei dem Bekannte und Fremde miteinander über
diverse, auch kritische politische Themen debattieren.
Entstanden sind diese Versammlungen, zu denen sich zwischen
zehn und 50 Menschen treffen, aus traditionellen Familientreffen
und den abendlichen Zusammenkünften der Fischer zum
Informationsaustausch über Wetter und Handel. Heute werden sie in
ganz unterschiedlichem Rahmen von einzelnen Bürgern des Emirats
ausgerichtet und gelten als einer der entscheidenden Wege zu
sozialer Anerkennung.
Bedeutendes Element der Zivilgesellschaft
"Wir haben es hier mit einem sehr bedeutenden Element der
Zivilgesellschaft zu tun, das eine ganz eigene Dynamik entwickelt
hat und als Gegengewicht zu Königshaus und Regierung von
unschätzbarem Wert ist", erläutert Youssouf Abdul Moati vom
Kuwaitischen Forschungszentrum.
Die Diwaniyyah fügen sich gut in die für die Region
ungewöhnliche politische Struktur Kuwaits. An ihrer Spitze steht
zwar unangefochten der Emir, aber es gibt zugleich ein alle vier
Jahre gewähltes, 50-köpfiges Parlament, ein Kabinett, in dem
etliche Nicht-Blaublütige vertreten sind und eine relativ freie
Presse.
Ursprünglich bezog sich die Bezeichnung 'diwaniyyah' auf den
Teil des Beduinen-Zelts, in dem die männlichen Mitglieder einer
Familie Gäste empfingen und mit ihnen über dieses und jenes
plauderten. Noch heute variieren die Themen sehr.
Massive Kritik während des Golfkriegs
So übten die Teilnehmer der Gesprächsrunden in den Jahren
1990/91 während des Golfkriegs massive Kritik an der Regierung.
Sie warfen den Verantwortlichen vor, die Gespräche mit dem Irak im
Vorfeld der Invasion nicht gut geführt zu haben und Informationen
über diese Verhandlungen geheim zu halten.
Derzeit ist eines der zentralen Thema das Vorhaben Kuwaits, die
koedukative Hochschulbildung abzuschaffen. Viele Diwaniyyah-
Besucher halten nichts von dieser Idee. Zwei getrennte
Einrichtungen für männliche und weibliche Studenten schaffen in
ihren Augen unnötige Kosten.
Ihr Gegenvorschlag für den Fall, dass die Regierung nicht
gänzlich umdenkt, zielt auf einen zeitlich getrennten Lehrplan,
nach dem Studentinnen morgens und Studenten nachmittags zur
Universität gehen. Der Vorschlag wurde der Regierung bereits
unterbreitet.
Interessanterweise sind in den traditionell nur von Männern
besuchten Diwaniyyahs mittlerweile auch Frauen nicht nur
zugelassen, sondern immer häufiger auch gern gesehene Redner.
Sonst dürfen sie in Kuwait noch nicht einmal wählen. Die
Königsfamilie al Sabahs hat zwar nichts gegen das von Aktivisten
geforderte Wahlrecht für Frauen, wohl aber die starke islamische
Lobby in der Nationalversammlung.
Eingeführt wurde die Beteiligung von zunächst nur einigen
wenigen prominenten Frauen an den Gesprächszirkeln nach Ende des
Golfkriegs. "Man hat sie dazugebeten als Anerkennung für ihre
patriotische Haltung während der Invasion", erklärt Basem al
Loughani, Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit an der
Universität von Kuwait.
Ergänzung zum Kampf für Frauenrechte
Für die Frauenrechtlerin und Vize-Präsidentin der Universität,
Mudhi al Hmoud, sind die Diwaniyyahs eine perfekte Ergänzung im
Kampf um mehr politische Rechte für Frauen. Noch immer aber werden
die meisten Treffen fast ausschließlich von Männern besucht.
Vor allem zu Wahlkampfzeiten haben die Runden Hochkonjunktur,
und nicht selten berichtet die lokale Presse über das, was hier im
halböffentlichen Raum gesagt wird. "Die Diwaniyyahs bieten
Politikern eben die perfekte Gelegenheit, die Wähler direkt
anzusprechen", meinen Moati und sein Kollege Yacoub al Hijji vom
kuwaitischen Forschungszentrum.
Auch die Regierung weiß die alternativen Foren zu schätzen, vor
allem seit das Königshaus 1976 und 1986 das Parlament aufgelöst
hat. Laut Hijji haben die Zirkel in diesen Zeiten die Lücke
gefüllt, die die Abgeordneten hinterlassen haben. Für viele
Kuwaiter ist die Nationalversammlung ohnehin nichts anderes als
eine größere Form des Diwaniyyahs. (IPS)