Wien - "Wenn wir in einem Jahrzehnt einen Impfstoff gegen HIV hätten, könnten wir froh sein", erklärte William Paul (US-Gesundheitsbehörde NIH) am Montag auf einem Symposium der Akademie der Wissenschaften in Wien, "insofern bleibe ich optimistisch. Aber selbst wenn wir einen hätten, hätten wir ihn nicht da, wo wir ihn wirklich brauchen, in der Dritten Welt." Optimistisch war Paul schon 1983, als er das "Goldene Zeitalter" der Impfstoffe anbrechen sah. Aber obwohl seitdem "die Manipulation des Immunsystems zu hoher Spezifität" gelangt ist (Georg Stingl, AKH Wien) und man molekularbiologisch gezielt eingreifen kann, ist die Impfstoffentwicklung bei HIV kaum vorangekommen. "Wir wissen von Prostituierten aus Westafrika - sie hatten sich mit einem HIV-Stamm infiziert und waren dadurch vor ihm und einem anderen geschützt -, dass eine Immunität gegen HIV möglich ist", macht Paul dennoch Hoffnung, "und wir wissen, dass das Virus sich vor Antikörpern ,fürchtet'." Antikörper sind ein "Ast" des Immunsystems: Sie neutralisieren Eindringlinge in den Körper ("Antigene"). Aber dazu müssen sie angreifen können. Trickreich versteckt Und dazu brauchen sie einen Angriffspunkt - ein Protein der Virenhülle -, den man dann auch als Impfstoff nutzen könnte, mit dem das Immunsystem sich einlernt. Solche Punkte bietet HIV kaum, daraus schließt Paul auf seine "Furcht": Zwar hat es bekannte Hüllproteine, etwa gp 120, aber sie verstecken sich trickreich. Deshalb schlugen Impfstoff- tests mit gp 120 bisher fehl. Aber Paul hofft, dass man den Verstecken auf die Spur kommt. Und er setzt auch auf den zweiten "Ast" des Immunsystems, Killerzellen, die Eindringlinge zerstören. Mit ihnen arbeitet der bisher erfolgreichste Impfstoff, in Affenversuchen. "Aber von Affen zu Menschen ist es ein weiter Weg", mahnt Paul. Und ob er überhaupt beschritten werden kann und soll, ist fraglich: "Am Menschen könnte diese Strategie unerwartete Nebeneffekte haben", mahnt Peter Lipsky (NIH): Hypothetisch könnten sich vermehrte Killerzellen gegen den eigenen Körper wenden, Autoimmunkrankheiten auslösen. Und neben diesem Problem stellt sich eben das andere. Eine solche Impfung wäre sehr aufwendig: "Das ginge nur in der entwickelten Welt", fürchtet auch Lipsky, "nicht in der Dritten." (jl, DER STANDARD, Print-Ausgabe 16. 5. 2001)