Wie allem kann man sich auch der Musikvermittlung, aus Übersee jüngst nach Europa übergeschwappt, richtig oder falsch nähern. Beides gar nicht schwer: Die Wiener Festwochen hatten zur Liedermatinee Olaf Bär unter dem Thema Begegnungen mit Arnold Schönberg geladen. Die Veranstaltung sollte vermutlich in einer Art moderner Montagetechnik ablaufen, aber den Besucher im samtig-plüschigen Theater an der Wien erwartete ganz anderes: am besten zu bezeichnen als Lesung mit Musik, und zwar mit einem deutlichen Übergewicht an Gesprochenem.

Zwischen den Briefen an und von Schönberg, etwa an oder über Schüler wie Alexander von Zemlinsky, Hanns Eisler oder Alban Berg, deren Inhalt das Auftun pekuniärer Quellen war, verloren sich die Vokalminiaturen fast. Da Arnold Schönberg - bis auf wenige atonale Lieder, in denen er der Dissonanz zur Emanzipation verhalf -, sehr wohl spätromantisch, jugendstilhaft und klassizistisch komponierte, korrespondierte die Musik nicht so recht mit den von Anne Bennent pointiert vorgetragenen Texten.

Eigentlich verwirrten sie eher. Sänger Olaf Bär, bestens sekundiert von Helmut Deutsch am Flügel, stand der Sache ziemlich gelassen gegenüber. Er sang die postmoderne Mixtur aus heiligem Bimbam und Bretterbuden-Pathos (Schönbergs Der verlorene Haufen; Das Buch der hängenden Gärten; Eislers Fünf Elegien) mit der ihm eigenen Power, stilvoll und mitunter mit hollywoodeskem Glamour. Bärs Stimme ist nasaler geworden, auch in höheren Lagen klingt sie angenehm dunkel. Und der Bariton ist kein Theatraliker, der bei Kantilenen, die seine Seele streicheln, Tränen vergießt. Mit seinen kraftvollen Attacken, die auch Pianissimi Platz geben, trug er den Sieg über die Energie schluckende Akustik des Ortes davon. "Späte" Klänge

In jeder Hinsicht "siegreich", auch ohne bildungspolitische Textkollagen, war das von Orpheus Trust und Schönberg Center veranstaltete Klavierkonzert mit David Holzman. Auch er hatte mit seiner Auswahl einen musikalischen Kreis um den Komponisten und Pädagogen Schönberg aufgebaut. Kaum zu glauben, dass es sich dabei zumeist um österreichische beziehungsweise europäische Erstaufführungen handelte! - waren die Stücke doch im Wien der Vorkriegszeit, im Berlin der 20er, im Palästina der 30er, im Zweiten Weltkrieg oder in der Nachkriegszeit entstanden.

Die Klammer zwischen Raoul Pleskows 3. Klaviersonate, Stefan Wolpes Sonate op. 1, Erich Itor Kahns Ciaccona Die Tempi Guerra (ein virtuoses Stück mit Akkord-Patterns) und Schönbergs Drei Klavierstücken op. 11 war hier unschwer zu erkennen: musikalische Leidenschaftlichkeit, formale wie expressive Freiheit und sehr eindringliche Vitalität. (DER STANDARD 16.5.2001)