Wien - Zwanzig gefälschte Pokémon-Figuren in der Schachtel, zehn nachgeahmte Boss-Hemden im Karton: Selbst wenn die Zollbehörden nur solch kleine Mengen an "Piratenware" beschlagnahmen, müssen sie immer den wahren Rechtsinhaber davon informieren. Und dieser muss im Prinzip jedes Mal vor Gericht ziehen, damit die Fälschungen endgültig vom Markt kommen. Dabei geben viele Importeure von schwarzer Ware gleich klein bei. Erleichterung bringen soll hier das neue Produktpirateriegesetz, dessen Entwurf vergangene Woche im Ministerrat beschlossen wurde und morgen, Mittwoch, im Finanzausschuss des Parlaments zur Beratung steht. In Kraft treten soll es möglichst noch vor der Sommerpause. Das neue Gesetz ergänzt die EU-Produktpiraterie-Verordnung aus dem Jahre 1995 (VO Nr. 3295/94), die in Österreich die Basis bildet für den Kampf gegen nachgeahmte Waren (solche, die unerlaubt Marken eines anderen tragen), illegale Vervielfältigungsstücke (also Raubkopien, die Urheberrechte verletzen) und Produkte, die Patente verletzen. Es ist § 5 des Gesetzes, der die größte Vereinfachung bringen wird. Beschlagnahmt der Zoll in Zukunft Piratenware, wird dies dem Importeur mitgeteilt. Erhebt dieser innerhalb von fünf Tagen keinen Widerspruch gegen die Beschlagnahme, gilt dies als Verzicht auf die Ware zugunsten der Staatskasse. Der Rechtsinhaber wird dann darüber informiert. Vorteile hat das für den Rechtsinhaber und für den Importeur: Ersterer muss nicht mehr zum Richter, um die Piratenprodukte endgültig aus dem Verkehr zu ziehen, und letzterer kann, wenn er sowieso weiß, dass er mit heißer Ware gehandelt hat, der Affäre schnell ein Ende machen. Gerade bei nur kleinen Mengen eingeführter Waren - die im Wert aber dennoch die "Reisefreigrenze" von 2500 Schilling übersteigen, wird dies oft der Fall sein. In Deutschland existiert bereits seit längerem ein solches abgekürztes Verfahren. Erfreulicher Effekt für den Staat: Die Gerichte werden entlastet. Die Republik hat - auf Kosten des Rechtsinhabers - nur noch für die Vernichtung der Waren zu sorgen oder kann sie mit dessen Erlaubnis karitativen Zwecken zuführen. Der Gesetzentwurf schließt zudem eine Lücke, die die EU-Verordnung offen gelassen hat. Der Zoll kann künftig auch von sich aus ohne weiteres heiße Ware beschlagnahmen und den Rechtsinhaber informieren, wenn die Piratenprodukte nicht im Rahmen der normalen Zollüberprüfung bei der Einfuhr, sondern zum Beispiel im Gepäck von Schmugglern nach Grenzübertritt entdeckt werden. Eine neue Finanzstrafnorm soll es übrigens auch geben: Piratenimporteuren drohen dann bis zu 15.000 Euro Geldstrafe, wenn sie wieder die gleichen Waren einführen, die ein Gericht schon einmal verboten hat. (Jörg Wojahn, Der Standard, Printausgabe, 15.05.2001)