Tallinn/Kopenhagen - Nach dem überraschenden Außenseitersieg Estlands beim Schlager-Grand-Prix will das kleine baltische Land nun im europäischen Musikzirkus ganz groß mitspielen. Im nächsten Jahr soll das Eurovisions-Festival in der Hauptstadt Tallin wieder eine Mammutshow werden und damit eine willkommene Werbung für den jungen Staat mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern. "Jetzt klopfen wir nicht nur an die europäische Tür, jetzt treten wir singend ein", rief Ministerpräsident Mart Laar auf dem Marktplatz von Tallinn, wo am Sonntag Zehntausende die Sensationssieger Tanel Padar & Dave Benton bei ihrer Heimkehr bejubelten. Fast bankrottes staatliches Fernsehen "Natürlich lassen wir uns diese Möglichkeit zur internationalen Werbung nicht entgehen", meinte Juhan Paadan, der Chef des umgehend gebildeten Organisationskomitees. Noch in Kopenhagen, wo das baltische Duo am Samstagabend die Favoriten aus Schweden, Frankreich und Griechenland souverän geschlagen hatte, hatte Aare Urm, Direktor des fast bankrotten staatlichen Fernsehens, mit erstaunlicher Gelassenheit in die Zukunft geblickt: Man werde die finanziellen Belastungen mit Zuschüssen des Eurovisions-Zusammenschlusses EBU und "mit ziemlicher Sicherheit durch staatliche Zuschüsse" bewältigen können. Finanzierung mit Staatsgarantie und Steuermitteln - Sponsoren gibts keine Die Regierung signalisierte schon am Montag Bereitschaft, mindestens mit einer Staatsgarantie zu helfen. Die internationale Breitenwirkung an sich sei schon unbezahlbar, sagte Regierungssprecher Priit Pöiklik. Aber es dürften wohl auch direkt Steuermittel nötig sein. Beim Kopenhagener Grand Prix investierte das dänische Fernsehen umgerechnet rund 111 Millionen Schilling, was etwa 80 Prozent der Mittel entspricht, die dem estnischen Fernsehen insgesamt pro Jahr zur Verfügung stehen. Die Hälfte der Kopenhagener Kosten trugen finanzstarke einheimische Unternehmen als Sponsoren. So etwas aber gibt es in Estland nicht. Jetzt heisst es Ärmel aufkrempeln "Unsere Nachbarn in Dänemark, Schweden und Finnland haben uns schon Hilfe durch technische Ausrüstung angeboten", sagte Urm vor der Rückreise aus Kopenhagen nach Tallinn auf die simple Frage, ob man denn überhaupt über genug Kameras verfüge. Organisationschef Paadan hatte trotz der für manchen beängstigenden Zahlen am Montag schon die Ärmel hochgekrempelt: "Wir fangen in jedem Fall ab sofort mit den Vorbereitungen an". Die Esten - singende Revoluzzer Die ehemalige Sowjetrepublik Estland hatte 1991 ihre Unabhängigkeit wiederlangt. Als "singende Revolution" ging der Übergang in die Geschichtsbücher ein, weil die Esten Sowjetpanzern friedlich mit Volksliedern trotzten. Jetzt soll das erste Eurovisions-Schlagerfestival aus einem osteuropäischen Reformstaat dieses musikalisch-freundliche Image in einer Popausgabe erneuern.(APA/dpa)