Die mazedonische Krise zu entschärfen erfordert die Behutsamkeit eines Sprengstoffexperten: Präzision geht vor Geschwindigkeit. Eine falsche Bewegung und es knallt. Eine Woche wurde verhandelt, jetzt steht die neue Allparteienregierung aus albanischen und mazedonischen Vertretern. Aber wenn die Parteien miteinander können, muss das noch nicht viel heißen. Dass jeder Politiker nur auf seinen Vorteil aus ist und jeden Grundsatz um ein Linsengericht preisgibt, gilt (nicht nur) in Mazedonien ohnehin als Grundtatsache. "Verrat" ist in den politischen Wörterbüchern des Balkans ein Leitbegriff. Wem "Verrat" vorgeworfen wird, der hat keine Chance mehr. Es hatte also seinen guten Sinn, wenn die eine der beiden Albanerparteien so stur, wenn auch vergeblich, auf einem sofortigen Stopp der Offensive insistiert hatte. Dafür sind diese Parteien da. Es nützt niemandem, eine Parlamentsfraktion zu integrieren, die eben wegen ihrer Integrationswilligkeit im gleichen Moment die Unterstützung ihrer Anhänger verliert.

Mit der Regierungsbildung ist noch nicht viel gewonnen. Folgen ihr nicht sehr rasch substanzielle Schritte zugunsten der albanischen Minderheit, so kehrt sie sich sogar ins Gegenteil um. Passiert nicht bald etwas und dauern die Kämpfe noch länger an, bricht in Mazedonien ein albanischer Aufstand aus, der dem von 1998 im Kosovo in nichts nachsteht.

Es hat keinen Sinn, jetzt nach dem "Schuldigen" zu suchen, diesen dann in der albanischen Minderheit zu finden und mit der Vorenthaltung von Minderheitenrechten zu "bestrafen". Es darf ohnehin schon als Wunder gelten, dass die Kämpfe noch nicht das ganze Land haben explodieren lassen. Keine exjugoslawische Republik hat in ähnlicher Lage bisher eine so hohe Widerstandskraft aufgebracht. Die internationalen Vermittler müssen weiter maximalen Druck auf Skopje ausüben. Lassen sie nach, geht die Bombe doch noch hoch.

(DER STANDARD, Print- Ausgabe, 14. 5. 2001)