"Totalreform der Architekturwettbewerbe der Stadt Wien": Einen Antrag dafür werden die Grünen am 23. Mai im Gemeinderat einbringen. Anlass sind die "sich häufenden Formalfehler im Zuge der Wettbewerbsverfahren", wie etwa im verunglückten Wettbewerb Katharinengasse. Christoph Chorherr fordert "Mindeststandards" für die Wettbewerbsabwicklung, qualifizierte Preisrichter, transparente Juryentscheidungen, eine Verbindlicherklärung der Wettbewerbsordnung, sowie Geld für qualitätssichernde Verfahren. Dass der Wettbewerb zwar ein probates, doch bei Missbrauch tückisches Mittel zur Findung der besten Architektur sei, hatte der Architekt Hermann Czech schon 1965 in einem Essay festgehalten: "Was nützen die zahlreichen Wettbewerbe, wenn die Ergebnisse sich nicht von bloßen Aufträgen unterscheiden können, weil in den Preisgerichten praktisch nur der Bauherr bestimmend ist?" Czech war vergangenen Mittwoch neben zwei Dutzend weiteren prominenten Vertretern der Architekturszene im Rathaus von den Grünen zu einem Stadt- expertInnengespräch über das Wiener Wettbewerbswesen geladen, das Thema war auch 36 Jahre später das selbe: Verantwortlich für ein gutes Verfahren, so Hermann Czech, sei letztlich die Jury, doch komme es vor, dass Juroren die Hälfte ihrer Zeit darin verschwenden, herauszufinden, von wem die jeweiligen Projekte stammten. Prinzipiell habe sich die gesamte Wettbewerbsszene, so Architekt Manfred Nehrer, in den vergangenen Jahren zu einem "Unwesen" entwickelt: "74 Architekten rittern in einem Wettbewerb ohne Bezahlung um einen 150-Millionen-Schilling-Auftrag, während Milliardenaufträge wie die Wiener Messe frei an Planungsbüros vergeben werden. Architekten sind keine Bittsteller, wir haben nichts zu verschenken, und wenn Wien zu Recht von uns verlangt, dass wir alle Vorschriften einhalten, dann soll die Stadt sie selbst auch einhalten." Kammerchef Peter Scheifinger prangerte vor allem die Bauträgerwettbewerbe als "jämmerliches Geschehen, das eigentlich nur noch über die Juristerei" abhandelbar sei, an. Kollege Martin Treberspurg brachte die Situation der Architekten auf den Punkt: "Wie lange noch können wir Qualität durch Selbstaufopferung aufrechterhalten?" Das Hauptproblem der Architektur sei das politische Desinteresse an qualifizierten Bauten: "Allein für die Oper wird mehr Geld ausgegeben." Während Wettbewerbsverfahren dem einzelnen Architekten enorme Kosten von gelegentlich bis zu einer Viertelmillion Schilling aufbürden, setzen zwei Drittel aller heimischen Architekturbüros mittlerweile unter zwei Millionen jährlich um. Erstmals häufen sich Konkurse, die Branche droht von der raschen Blockbaumentalität des Großinvestorentums erdrückt zu werden. Dabei, so Chorherr, sei "das Bauen in der Stadt ein öffentlicher Akt", und erfordere größte Sorgfalt bei der Entscheidung "warum was wo wie groß hinkommt", sowie die bestmögliche aller Architekturen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13. 5. 2001)