Wien - Wer sich wie Joep van Lieshout entschließt, einen freien Staat aufzusperren, der braucht natürlich auch die passende Ausrüstung dazu: zum Beispiel polygamiefreundliche Möbel. So etwas kann man jetzt natürlich nicht einfach irgendwo kaufen. Erstens untersteht die Konfektionsware anderen primären Anforderungsprofilen, und zweitens ist Heimwerken auch lustig. Joep van Lieshout weiß das. Er war selbstständiger Künstler. Als solcher hat er auch schon Betten, Badewannen und Toiletten angefertigt. Mit großem Erfolg. Die finden sich heute in vielen Museen wieder. Da das mit der allein selbstständigen Erwerbstätigkeit auf Dauer doch recht mühsam ist, hat Lieshout sich für die weitaus rationellere Form des Kollektivs entschieden. In diesem leben und werken gut 35 Genossen an ihrer Autonomie. Und denen fehlt nichts. Die haben mietfreie Wohnungen, eine Biogasheizung und ein Humusklo, die reinigen ihr Wasser selbst und ziehen frisches Gemüse. Und die sind auch überhaupt nicht technologiefeindlich. Ganz im Gegenteil. Wenn es darum geht, die Bedürfnisse des Einzelnen zu befriedigen, derart das soziale Gefüge im Lot zu halten, dann scheuen die keinen Aufwand. Man denke nur an Robotec, damit kann man alle sexuellen Wünsche befriedigen - computergesteuert. Die Lieshout-Factory hat einen Schiffscontainer derart aufgerüstet, dass man mit ihm, in ihm und durch ihn jede nur denkbare sexuelle Praxis ausführen kann - immer und überall. Weil, Mobilität gehört schon auch zu den Grundwerten, wo doch gerade jetzt wieder gefordert wird, den Nomaden im Selbst zu entdecken. Und so etwas wird heutzutage in einer Bank ausgestellt. So schaut's aus. Vielleicht aber nur deshalb, weil Lieshout seine Mobile Denkzelle, mit Wilhelm Reichs Orgonenkraft in Verbindung bringt. Und wo sich kosmische Kraft akkumuliert, dort ist - wie die amerikanischen Behörden schon zu Zeiten, als Reich noch höchstselbst in enge Kisten lud, wussten - Sex. Jetzt passt Sex wieder nicht unbedingt zum Image der Bawag. (Obwohl die Mythen, die Sozialisten sich gerne beim Haubenkoch erzählen, nicht nur von Kunst berichten.) Aber immerhin, der Reich ist schon ein berühmter Österreicher und der Lies- hout ein von hochkarätig besetzten Beiräten empfohlener Künstler und - es funktioniert. Man berichtet von wahren Glückserlebnissen in der Mobilen Denkzelle. Obwohl die kaum einen Denkbegierigen fasst und, hätte sie Augusto Pinochet erfunden, ganz oben auf der Liste von Amnesty International stehen würde. Außerdem ist sie stoffwechselabfallsproduktbraun. Selbstverständlich schlachtet die lebenslustige Kommune auch selber, recycled ordnungsgemäß und: "AVL-Ville" in Rotterdam druckt eigenes Geld. Papiergeld, weil: Kleinere Rechnungen werden in Bieren bezahlt. Und wenn die Genossen dann doch einmal echtes Geld brauchen, dann tauschen sie es gegen ihre Produkte. Zum Beispiel in der Bawag. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 5. 2001)