"Schüler sprechen nicht, außer sie werden gefragt." Oder: "Weckerl- und Getränkekauf sind die einzigen Gründe, die einen Wechsel des Stockwerks - nur über die Hauptstiege! - rechtfertigen." Und: "Die Klassenfenster werden nur während der Anwesenheit einer Lehrkraft geöffnet!" Solche und ähnliche Sätze finden sich in den so genannten Verhaltensvereinbarungen, mit denen Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer für mehr Disziplin an den Schulen sorgen will. Schon allein der Ton macht deutlich: Von der "Autonomie" und der "Gleichberechtigung", die Gehrer mit diesen Vereinbarungen angeblich bezweckt, bleibt an einigen Schulen wenig übrig. Gerade überforderte und demotivierte Lehrer können die Verhaltensvereinbarung zur Verordnung von diktatorischen Spielregeln missbrauchen: Die Lehrer schaffen an, die Schüler haben zu gehorchen - oder werden bestraft. Vereinbarung kann auch ein behübschendes Wort für Vorschrift sein. Vor allem dann, wenn Lehrer schon bei der Festlegung dieser Spielregeln zeigen wollen, dass sie nicht nur durch ihre Möglichkeit des Notendrucks in der Schule auf dem längeren Ast sitzen, sondern auch in Fragen der Disziplin. Wenn sich sinnige und unsinnige Verbote und Gebote (und Strafen für Fehlverhalten) für Schüler in den Verhaltensvereinbarungen finden, aber keine einzige Vorschrift für Lehrer; wenn Schüler für Kaugummikauen mit Sanktionen belegt werden, Lehrer für unzeitgemäßen Unterricht oder disziplinloses Verhalten aber nicht, sorgt das für kein neues, sondern für ein uraltes Klima an Schulen: ein autoritäres, in dem Schüler viele Pflichten, aber keine Rechte haben. So werden ganz sicher moderne, demokratiebewusste und kritische Staatsbürger heranerzogen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 5. 2001)