Welt
SozialarbeiterIn spielen
Wien - Mit einem Computerspiel, bei dem jeder in die Rolle eines Sozialarbeiters schlüpfen kann, beteiligt sich das Wiener Amt für Jugend und Familie (Magistratsabteilung 11) vom 11. bis 20. Mai 2001 an der diesjährigen "Science Week". An einem Computer-Terminal in der Buchhandlung "Amadeus" in Wien-Landstraße kann man dabei versuchen, ein für Sozialarbeiter häufiges Problem - ein Jugendlicher will den Schulbesuch verweigern - zu lösen.
Wissenschaftliche Basis für das Spiel sind die Ergebnisse einer 1996
abgeschlossenen Grundlagenforschung der MA 11. Diese Studie mit dem
Titel "Sozialisationschancen und Betreuungsstrukturen" wurde im
November 2000 mit dem Forschungsförderpreis der Deutschen
Systemischen Gesellschaft ausgezeichnet.
Mit der Studie untersuchte man an Hand von sehr aufwändigen
Aktenanalysen von MA 11-Regionalstellen, ob es bei bestimmten
Lebenssituationen, besonderen Belastungen usw. eine höhere
Wahrscheinlichkeit gibt, dass Kinder Probleme haben und beispielweise
ein Einschreiten des Jugendamtes erforderlich ist. Ursprünglich
wollte man Begründungen für das Entstehen von kriminellem Verhalten
von Jugendlichen zu finden, in der Absicht, ein ausreichend
fundiertes Begründungsmodell zu erkennen und so zu helfen, Kosten
und Fehlinvestitionen zu ersparen. Könnte man sogenannte
aussichtslose Fälle frühzeitig identifizieren, so der Ausgangspunkt,
könnte man Steuermittel sparen.
Keinen direkten Zusammenhang
Die Ergebnisse der Studie zeigten aber, dass keine typischen
Familienkonstellationen festzustellen sind, die etwa Verwahrlosung
zwingend produzieren. Anders gesagt: Die Vorstellung, dass ähnliche
Ursachen (ähnliche Familienprobleme) ähnliche Wirkungen erzeugen, mag
zwar naheliegend und vor allem bequem sein, erweist sich aber als
wissenschaftlich unhaltbar. Zwischen Ursache und Wirkung gibt es
keinen einfachen, direkten Zusammenhang. Es entstehen
Wechselwirkungen und Rückkoppelungen, welche die Eigendynamik des
Systems ausmachen. Festgestellt wurden dagegen jeweils spezifische
Prozesse (Kommunikationsprozesse), die bestimmte Muster erzeugen, die
unerwünschte Entwicklungen aufrechterhalten. Oder anders: Bestimmte
Kommunikationsmuster unterstützen erwünschte Entwicklungen und führen
zur Lösung eines Problems (z.B. doch Bereitschaft zum Schulbesuch zu
erzeugen). Schlussfolgerung: Das Wissen über Systemdynamik kann dabei
helfen, eigene Handlungsstrategien und Zielsetzungen laufend
hinsichtlich ihrer Effektivität zu überprüfen.
Die Konsequenz für die SozialarbeiterInnen: Ihre Arbeit besteht
daher darin, einen Prozess zu gestalten, Entwicklungen zu beobachten
und entsprechend diesen Entwicklungen ihre Interventionen zu planen.
Das Spiel
Beim MA 11-Spiel wird der/die SpielerIn eingeladen, sich in
die Rolle einer SozialarbeiterIn einer Regionalstelle zu versetzen
und einen alltäglichen Fall zu lösen. Ein Jugendlicher lebt als
Einzelkind bei seinen Eltern, deren Beziehung zueinander
problematisch ist. Er verweigert den Schulbesuch und ist in Gefahr,
eine problematische Entwicklung durchzumachen, trifft sich mit
Freunden, die ebenfalls nicht zur Schule gehen. Die Schule befürchtet
einen depressiven Rückzug des Jugendlichen, der den Kontakt zu den
MitschülerInnen abgebrochen hat.
Ziel ist es dafür zu sorgen, dass es dem Jugendlichen besser
geht - und natürlich die Ausbildung fortgesetzt wird. Beteiligt am
Fall sind außer dem jungen Menschen auch die Eltern, die Schule und
eben der/die SozialarbeiterIn.
(red)