Eine kurze Szene bezeichnete die Verfassung der österreichischen Abgeordnetenpsyche, die in diesem Fall als Zähler über dem Bruchstrich der Volksseele herhalten muss, besser als ellenlange Abhandlungen. Als bei der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus in der Hofburg ein Sänger gerade eine sehr piano gehaltene Stelle einer Ballade Victor Klemperers anstimmte, läutete irgendwo im Pulk der versammelten Nationalratsabgeordneten und Bundesräte ein Handy. Einmal, zweimal, dreimal. Die Politik rief an und störte. Es war nicht das einzige Mal. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung drohte ein Eklat, der schließlich nur halb vermieden werden konnte. Weil die Opposition bei der ursprünglich im Nationalrat geplanten Veranstaltung hochkarätige FP-Redner ablehnte, einigte man sich auf einen Kompromiss, der dem zuletzt von der FPÖ nicht eben gekosten Bundespräsident Thomas Klestil die Hauptrolle als überparteiliche Instanz zukommen ließ. Klestil entledigte sich der heiklen Aufgabe mehr als routiniert, aber das war eigentlich nur ein Nebenaspekt.

Beschämendes Faktum wurde, dass sich fast zwei Drittel der Regierungsmitglieder der Einladung entschlug. Von der FPÖ fehlten, abgesehen vom einfachen Parteimitglied, so gut wie alle Vertreter der ersten Garnitur. Die Vizekanzlerin ließ den Bundeskanzler diesmal allein, von den wichtigeren Parteifunktionären erschien, abgesehen von Generalsekretärin Theresia Zierler, niemand. Nun wäre die Angelegenheit nicht mehr als eine Randbemerkung über mangelnde Umgangsformen Wert, wenn die Veranstaltung eine andere als die des Gedenkens an die NS-Opfer gewesen wäre. So aber war das Signal, das die Abwesenheit der schwarz-blauen Granden vermittelte, nur peinlich. Und sehr bezeichnend, weil durch und durch authentisch.