Die vier gehen hart ins Gericht an diesem Samstagabend im plüschig-verspielten Wiener Varietetheater "Metropol": Mit sich, dem Publikum und den Österreichern im Allgemeinen. Die Landstreich macht schließlich schon seit Jahren und zum wiederholten Male im Metropol Musik, doch der ganz große Durchbruch kam bisher nicht; das gesteht das Quartett gleich zu Beginn seines aktuellen Programms "Stau". An der Stimmung, die Klarinette, Geige, Akkordeon und Bassgeige verbreiten, können die Probleme mit dem Megaerfolg eigentlich nicht liegen - bereits nach der ersten Nummer brodelt es im Saal. Mit dem Schwung und Schmiss der lebhaftesten Klezmer-Arrangements verbinden die Landstreich-Musikanten ihre virtuosen Instrumentalsoli, die auch im Jazzkeller zuhause sein könnten. Und das ist noch nicht alles, wie schon das erste Moderationsgeständnis zeigt: Um die künstlerische Verwirrung komplett zu machen, mixen die vier Steirer, die ihre volksmusikalische Heimat nicht verraten können und wollen, auch noch eine kräftige Portion Kabarett in ihr Programm. Stellen also in selbstkritischer Performance-Analyse fest, dass die Texte zu ihrer Musik viel zu intellektuell seien, um ein größeres Publikum als das im Saal versammelte zu finden. Böses über Inländer "Ab jetzt machen wir keine netten Lieder über Ausländer mehr, sondern nur noch böse Lieder über Inländer", kündigt die Landstreich ihre Rache am unverständigen Teil des österreichischen Publikums an. Besingt daher in schwelgerisch schönen, hundsgemeinen Strophen klassische Sympathieträger vom Polizisten zum Finanzbeamten, widmet der neuen, warm duschenden und Frauen verstehenden Männlichkeit ein Lied: "Schließlich wollen wir, was alle Gatten vor uns hatten: Selbstgemachte Nudeln und Fritatten." Das landstreich-artig ausgezeichnete Publikum im Saal genießt den Spott von Edith Zimmermann (Geige), Christof Spörk (Klarinette), Krzysztof Dobrek (Akkordeon) und Gerhard Draxler (Bassgeige). Es nimmt Anteil an den gefühlvollen Geschichten über das Lavendel-Ende einer lebensfrohen Motte, über das plötzliche Scheitern ambitionierter Anbandel-Versuche auf der Westautobahn, wenn sich der Superstau unerwartet auflöst - und muss den Intellekt tatsächlich auf Hochtouren schalten, um den sprachwitzigen high Speed-Purzelbäumen des Texters Christof Spörk hinterherzukommen. Revolutionshelfer Creutzfeld Dass die Landstreich neben musikalischen und sprachlichen auch schauspielerische Fähigkeiten zu bieten hat, beweist Spörk, wenn er in die Rolle Fidel Castros schlüpft: In Spanisch, um die Schlüsselwörter Capitalismo und Socialismo kreisend, freut sich Fidel über neun überlebte US-Präsidenten und die Kapitalismuskrise BSE - gelobt sei Revolutionshelfer Señor Creutzfeld. So treffend die Castro-Parodie gelang: Die Rede des bekannt ausdauernd eifernden Revolutionärs kann eine einzige Schwachstelle des Landstreich-Auftritts zeigen: Der Abend rast fast durchgängig schnell und laut dahin (was zum Teil auch an der fürs Metropol etwas überdimensionierten Verstärker-Anlage liegen dürfte), die ruhigen Töne, die die Tiefen des Programms noch sichtbarer machen könnten, bleiben dagegen im Hintergrund. Egal, ob die Landstreich in hohem Tempo auf ihren verdienten Durchbruch zusteuert oder weiter im Metropol spielt, es bleibt ein Trost: Wer zum Konzert kommt, kann sich auf musikalisches und kabarettistisches Hochvergnügen verlassen. Und, wenn der Eindruck nicht täuscht: Die vier von der Landstreich haben selbst mindestens genauso viel Spaß an ihrem Programm wie das Publikum. Am 12. Mai gastiert die Landstreich im Stadttheater Wiener Neustadt. (dos)