Wien - Ein "Mathematisches Kabinett" nicht im Technischen Museum, sondern im Museumsquartier - für österreichisches Kulturverständnis eine ungewöhnliche Kombination. Dennoch haben die Mathematiker Rudolf Taschner und Emil Simeonov, TU Wien, genau dieses Projekt eingereicht. Anregungen dazu fanden sie unter anderem beim Goudreau Museum of Mathematics in Art and Science, New York. Konkrete Bilder im Kopf "Mathematik hat viel mehr mit Kultur zu tun, als den meisten bewusst ist", sagt Taschner im Gespräch mit dem STANDARD, "obwohl Mathematiker mit abstrakten Zahlen und Gleichungen arbeiten, machen sie sich von ihren Ideen erstaunlich konkrete Bilder." Solchen Bildern greifbare Gestalt zu verleihen und Lust auf Mathematik zu machen sei das Ziel des Mathematischen Kabinetts. Bilder wie jenes vom Igel etwa. Herbert Seifert hatte 1950 seine - inzwischen bestätigte - Vermutung formuliert, es sei unmöglich, einen Igel - oder eine behaarte Kugel - so zu kämmen, dass alle Haare flach und glatt liegen. Ohne Scheitel oder ein in die Höhe stehendes Haar gehe es vermutlich nicht ab. Oder das Bild vom Koffer, von dem man nicht weiß, wie viele Kugeln in ihn hineinpassen - ein einfach klingendes und trotzdem schwer lösbares Problem. Seit Kepler wird daran herumgerechnet, geklärt ist es nicht. Anschaulich darstellbar auch die Welt der Fraktale, in die man mit dem Mikroskop immer tiefer eintauchen kann. Oder der Spiegel, der nicht nur links und rechts, sondern auch oben und unten vertauscht. Oder die Knotentheorie - vom Seemannsknoten bis zur Verknotung von DNA-Molekülen. Beispiele gibt es in Hülle und Fülle. "Daneben existiert aber auch ein direkter Bezug zwischen Mathematik und Kunst", sagt Simeonov, der die halbe Kunstgeschichte durchforstet hat: Leonardo da Vincis Entdeckung der Perspektive etwa oder seine versteckten Algorithmen zur näherungsweisen Quadratur des Kreises. Die Bedeutung des goldenen Schnitts für Bildkompositionen, der russische Konstruktivismus und so fort bis hin zur Computerkunst. Dazu die Bezüge zu Architektur, Literatur, Tanz, Theater, Filmkunst und natürlich Musik. In puncto Infrastruktur gibt sich das Mathematikprojekt vorerst bescheiden: zwei Halbtags-, ein Ganztagsmitarbeiter, dazu drei Räume, etwa 250 von den im Quartier 21 noch verfügbaren 4900 Quadratmetern. Der größte Raum ist für Veranstaltungen gedacht: von der mathematischen Früherziehung bis hin zu hochkarätigen Symposien und Vorträgen unter Einbindung der Universitäten. Wirtschaft soll sponsern Das nötige Kleingeld soll nach Vorstellung der Initiatoren zum Teil von der öffentlichen Hand, zum Teil von Sponsoren kommen. Taschner: "Die Wirtschaft darf nicht immer nur jammern, dass sie mehr Mathematiker braucht - sie muss auch etwas dafür tun." Nachsatz: "Bleibt nur zu hoffen, dass im Beirat, der über die eingereichten Projekte entscheidet, jemand sitzt, den das Mathematische Kabinett genauso begeistert wie uns." (DER STANDARD, Print-Ausgabe 3. 5. 2001)