Die junge Frau, als Mädchen namens Fegele in einem jüdischen Schtetl in Russland Ende der 20er-Jahre geboren, die sie zur tragischen Heldin ihres Filmes erkoren hat, treibt eigentlich in den Wogen der Weltgeschichte - das Drama ihrer Flucht vor den Nazis beziehungsweise der Suche nach ihrem Vater wird dabei stets in erlesen komponierten Tableaus kadriert, die das Geschehen poetisch überhöhen sollen, es letztlich aber bloß eitel stilisieren.
Der Emigrationsweg Fegeles führt von London über Paris nach Hollywood. Der Film, obwohl eine europäische Koproduktion, ist immer schon dort. Unter der strengen, viktorianisch gelenkten Hand britischer Zieheltern wird das Mädchen zu Suzie - nunmehr von Christina Ricci verkörpert -, um dann in Paris ihr Glück als Tänzerin und Sängerin zu versuchen. Die Musik ist es auch, der in The Man Who Cried eine identitätsstiftende Rolle zufällt, sie bringt sowohl ethnische wie auch politische Differenzen zum Vorschein und treibt Menschen zu- und auseinander.
Folglich ist es die Bühne der Komischen Oper im Paris, die zur Bühne der Zeit wird. Während Lola (Cate Blanchett), Suzies mondäne Freundin, sich mit dem faschistischen italienischen Startenor (John Turturro) einlässt, ist die Jüdin fasziniert von der Welt (und Musik) des Zigeuners Cesar, dargestellt von Johnny Depp samt Schimmel und schmutzigen Fingernägeln.
Schon mehrfach hat sich Potter in ihren Filmen musikalischen Themen zugewandt, etwa in Thriller, einem Kurzfilm, der sich Puccinis La Bohème aus feministischer Sicht nähert, oder auch in Tango Lessons. In The Man Who Cried vereint sich nun dieses Interesse mit ihrer Vorliebe für opulentes Ausstattungskino und einer - bei aller Korrektheit - doch recht simplen Fabel vom Überleben, in der Geschichte auf ein spektakuläres Panorama reduziert wird, zu nicht wirklich mehr als Kitsch.
(DER STANDARD Printausgabe vom 2.März 2001)