Das Präsidium des Hauptverbandes wird aufgelöst, binnen einer Woche will der Sozialminister ein neues Präsidium bestellen. Ob er das kann, ist juristisch nach wie vor umstritten. Auch der ÖAAB protestiert, Sallmutter spricht von "Putsch". Wien - Der Meinungsumschwung passierte sehr schnell. Dienstagfrüh wollte sich Sozialminister Herbert Haupt (FPÖ) noch auf keinen Zeitpunkt für die Entscheidung über das Präsidiums des Hauptverbandes festlegen. Knapp eine Stunde später verließ Haupt kurz die Sitzung des Ministerrates, um mitzuteilen: Die Präsidenten des Hauptverbandes, Hans Sallmutter, Helmut Oberchristl (beide SPÖ) und Manfred Gründler (ÖVP) werden abgelöst. Als Grund für seine neue Meinung und für die Ablöse gab Haupt an: Es habe Montagabend einen "Beschluss" des Hauptverbandes gegeben, in dem sich dieser weigere, die Rechtsmeinung des Sozialministeriums anzuerkennen. Das Ministerium steht auf dem Standpunkt, dass die Funktionsperioden von Sallmutter und Co abgelaufen seien und Haupt neue Präsidenten bestellen könne. "Glatte Lüge", konterte Hans Sallmutter. Es gebe keinen "Beschluss", in der Präsidiumssitzung sei nur über einen Brief des Ministeriums debattiert worden. Und der Hauptverband sei anderer Meinung als Haupt gewesen: Nämlich der, dass die Funktionsperiode des Präsidiums bis 2005 dauere. Auch deshalb zeigte Sallmutter sich "bedrückt, bestürzt und betroffen von dem kalten Putsch der Regierung, die eine Säuberung von kritischen Köpfen durchführt". Haupt will in der kommenden Woche drei neue Personen für das Hauptverbandspräsidium auswählen. Einer davon soll, kündigte Haupt an, ein Sozialdemokrat sein. Eine Wiederbestellung des abgelösten Trios schloss Haupt aus: "Wenn die drei Herren ab März ein Gehalt haben wollen, werden sie den Gerichtsweg einschlagen müssen." Als Begründung für die Ablöse nannte Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, dass der Hauptverband seinen "klaren Reformauftrag" nicht erfüllt und in der Verwaltung nichts verändert habe. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel assistierte: Dass sich Sallmutter regierungskritisch verhalten habe, sei nun kein Kriterium mehr gewesen. Rechtsstreit Dessenungeachtet gibt es Zweifel, ob das Präsidium einfach abgesetzt werden kann. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer etwa hält die Vorgangsweise Haupts für "offenkundig falsch". Üblicherweise prüfe man im Vorfeld genauer. Die weitere Vorgangsweise skizzierte Mayer so: Sallmutter und Co könnten sich an Verwaltungs- oder Verfassungsgericht wenden, diese könnten den Ablösebescheid aufheben - und Sallmutter und Co wieder ins Amt setzen. Sallmutter hat einen derartigen Gang vor die Gerichte bereits angekündigt, und zwar mit den Worten: "Ich lasse mich von der Regierung nicht mundtot machen." "Ablenkungsmanöver" ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch sieht die Ablöse Sallmutters als "Ablenkungsmanöver" von den Sparpaketen der Regierung und plant Proteste (siehe Artikel unten). Die Regierung wolle "Drohung als Mittel der Regierungspolitik" einsetzen. Aber nicht nur SP-Gewerkschafter wie Verzetnizsch sind empört. Auch Christgewerkschafter Alfred Dirnberger (ÖAAB) sprach von einem "eiskalten Putsch blauer Politdesperados" und berichtete über "großen Unmut auf allen Ebenen des ÖAAB": "Offenbar scheinen Recht und Gesetz seit der FPÖ-Regierungsbeteiligung nicht mehr zu gelten." Die Gewerkschaft der Privatangestellten, deren Vorsitzender Sallmutter ist, will heute, Mittwoch, mit einer österreichweiten Betriebsrätekonferenz Proteste vorbereiten. (eli) (DER STANDARD, Printausgabe vom 31.1.2001)