Das Portrait auf dem Schutzumschlag ist mehr Offenbarung als Offenlegung. Die Augen des Kriegers aus Papua-Neuguinea schauen geheimnisvoll aus dem zu einer Hälfte schwarz und zur anderen Hälfte weiß bemalten Gesicht, der halbgeöffnete Mund scheint zu einem Satz anzusetzen, den er jedoch für sich behält. Der Mann aus dem Stamme der Singsing schaut eher schon durch die Kamera hindurch, als in sie hinein. Auf der Rückseite des Umschlags kein Gesicht, sondern ein weiblicher Nacken, das anmutige Detail bunter Perlen, die an Ohrläppchen hängen, zu kunstvollen Zöpfen frisiertes Haar, in dem eine Feder steckt. Der Mann, der beide Male den Auslöser gedrückt hat, Art Wolfe, ist einer der bekanntesten amerikanischen Naturfotografen, dessen Bilder aus qualitativ hochwertigen Magazinen wie Life oder National Geographic nicht mehr wegzudenken sind. Auf seinen Reisen durch mehr als 46 Länder porträtierte er Menschen aus unterschiedlichsten Stämmen: er ließ ihren Gesichtern den ganzen Raum des Fotos, und hatte es dabei nicht nötig, sich auf die Lauer zu legen oder die Menschen anbiedernd in die Landschaft einzudrapieren. Dabei fällt die Intensität der Blicke auf, die Gelassenheit der wunderbar geschmückten Körper. Wolfe brachte es zustande, einen Dialog herzustellen, er ließ den Blick der Kamera auf den Menschen ruhen, wie einer, der sie nicht gezielt durch den Sucher betrachtet, sondern en passant ihre Gesamtheit registriert, von Gleich zu Gleich. So auch die Details: die sonnenbeschienenen Narbenverzierungen auf einem Brustkorb in Afrkia, das komplizierte Muster einer samoanischen Tatuierung - all dem fehlt die pseudofeudale Arroganz des westlichen Menschen auf der Suche nach dem Edlen Wilden. Wie das Model Imam im Vorwort zu diesem wunderschönen Bildband auch hervorhebt: stolz, humorvoll und voller Charisma sind die vielen Frauen-, Männer- und Kindergesichter, die Wolfe quer über den Globus festgehalten hat. Und gestohlen hat er hier keine einzige Seele ( das besorgt leider schon die industrialisierte Welt), er hat sie vielmehr behutsam mitgenommen und in ein Buch gelegt, das zum Schutz all dieser zum Teil stark bedrohten Stämme definitiv beitragen wird. (Maria Angela Pieta )