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Bei den Nationalratswahlen im Jahr 2006 haben 1,4 Prozent aller WählerInnen ungültig gewählt. Initiator Christoph Bösch glaubt, dass das Potenzial noch viel größer wäre. Er erhofft sich durch möglichst viele Proteststimmen einen Systemwechsel.

Foto: APA/Neumayr

"Die Zersplitterung durch Protestparteien nützt nur diesen. Das geringste Übel zu wählen, führt dazu, dass dieses immer größer wird. Gar nicht zu wählen, schwächt die Demokratie." Der Wiener Christoph Bösch ortet vielerlei Probleme durch die steigende Unzufriedenheit mit der Politik und deren Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Bürger. Er ruft deshalb mit seiner Initiative "Mehr Wahlrecht" dazu auf, bei den Nationalratswahlen im September ungültig – also weiß – zu wählen. "Wenn man es nicht mehr übers Herz bringt, das geringste Übel zu wählen, soll man lieber weiß wählen", sagt er im Gespräch mit derStandard.at.

1,4 Prozent bei Wahlen 2006

Bei den Nationalratswahlen im Jahr 2006 haben 85.418 Bürger – etwa 1,4 Prozent aller WählerInnen – ungültig gewählt. Damit hat sich die Gruppe der Ungültigwähler mengenmäßig zwischen KPÖ und der Liste von Hans-Peter Martin eingereiht. Den Unterschied zwischen weiß wählen und gar nicht wählen beschreibt Bösch folgendermaßen: Beim Weißwählen würde erkennbar, wieviele BürgerInnen mit der Politik unzufrieden sind. Das sei, wenn man gar nicht zur Wahl geht, nicht der Fall.

Bösch glaubt, dass das Potenzial an Weißwählern bei künftigen Wahlen noch viel größer wäre. Er erhofft sich durch möglichst viele Proteststimmen einen Systemwechsel. Er wünscht sich "eine wirklich repräsentative Demokratie". Sein Ziel ist das Mehrheitswahlrecht und eine repräsentative Demokratie mit allem was dazu gehört: direkte Persönlichkeitswahl, regelmäßige Volksbefragungen, eine Personalisierung der Parteienfinanzierung.

"Derzeit wird alles auf die lange Bank geschoben", beklagt sich Bösch über das politische Geschehen. Wichtige Reformen wie die Staatsreform würden nicht beschlossen. Wenn aber durch die Abgabe einer ungültigen Stimme immer mehr Menschen ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen, dann würden die Politiker einsehen, dass die Zeit für ein Mehrheitswahlrecht reif sei, so Bösch.

"Minimale Verantwortung übernehmen"

Politologe Peter Gerlich von der Universität Wien beurteilt das Weißwählen folgendermaßen: "Es bringt Protest zum Ausdruck". Trotzdem bezeichnet er es – genauso wie das Nichtwählen – als "nicht konstruktiv". Er appelliert an die Bürger, gültig zu wählen: "Die Palette der Angebote ist groß, es ist wichtig, die Demokratie ernst zu nehmen. Die minimale Verantwortung, sich für eine Partei zu entscheiden, sollten die Bürger übernehmen können."

Dass der Aufruf zum Weißwählen längerfristig einen Systemwechsel hin zum Mehrheitswahlrecht bewirken könnte, glaubt Gerlich nicht. "Wenn man für eine Änderung des Wahlrechts ist, dann sollte man die Partei wählen, die auch dafür eintritt", ist er überzeugt. Denn "politische Konsequenzen" habe das ungültige Wählen bisher noch nie gehabt. (rwh, derStandard.at, 15.7.2008)