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Ungeliebter Frosch

Foto: APA

Bozen - Klotzen und keinesfalls kleckern - so mag es offenbar das Wohlstandsparadies Südtirol. Nicht weniger als 30 Millionen Euro blätterte die Landesregierung in Bozen hin, um sich von Berliner Architekten einen schicken Glaskubus für zeitgenössische Kunst bauen zu lassen. Um den spektakulären Aufbruch in die Moderne standesgemäß zu zelebrieren, will Südtirol in diesem Jahr auch als Ausrichter der europäischen Biennale für die Gegenwartskunst, der Manifesta, glänzen.

400 Künstler wurden für die Eröffnungsschau des Bozner Museion und die Manifesta aufgeboten - das sind mehr als für Documenta und Venedigs Biennale zusammen. Der triumphalen Abkehr der Alpenprovinz von der Traditionskultur schien denn auch nichts mehr wirklich im Wege zu stehen. Wäre da nicht dieser lustige grasgrüne Frosch. Mit heraushängender Zunge und einem Bierkrug in der Hand hängt er an einem Kruzifix.

Älplerischen Ayatollahs gilt das Werk des 1997 in Wien verstorbenen Künstlers Martin Kippenberger als untragbarer Frevel. Und klar: Südtirols Tagblatt Dolomiten machte sich einmal mehr zum Fürsprecher katholischer Anständigkeit, Dutzende empörter Leserbriefe schürten Wogen selbstgerechter Biederkeit, wöchentlich erflehen Betgruppen vor dem Museion göttliche Nachsicht, und Schützen entrollen warnende Transparente.

Südtirol, das sich gerade stolz zum Blick über den eigenen Gartenzaun aufgerichtet hatte, fiel nun unvermittelt wieder in die Froschperspektive zurück: In seltener Einmütigkeit forderten Südtiroler Volkspartei und Nationale Allianz die Entfernung des giftgrünen Ärgernisses.

Der Präsident des Regionalrats, Franz Pahl, rüstet mit einem Hungerstreik für die bevorstehende Landtagswahl. Die Kurie bangt, der lange Schatten des Kippenberger-Kruzifixes könne auch auf den sommerlichen Südtirol-Urlaub des Papstes fallen. Vor Joseph Ratzingers Anreise, so das Verdikt, müsse der Frosch verschwinden. Das tat er auch. Vorerst verbarg die gerüffelte Museumsleitung das "respekt- und geschmacklose Werk" (Landeshauptmann Luis Durnwalder) hinter einer "Medienwand" - einer Collage aus Zeitungsausschnitten zur Kunstaffäre.

Doch die Tage der Schweizer Museion-Direktorin Corinne Diserens scheinen dennoch gezählt. Warum man in Südtirol das Werk eines arrivierten Künstlers wie Martin Kippenberger so schamhaft verhüllt, dem die größten Museen der Welt ganze Retrospektiven widmen, das begründete Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter-Mur schließlich mit dem eher entwaffnenden Argument: "Wir sind hier nicht in New York!" Dachten wir's doch. Vielleicht doch besser ein Defregger-Museum? (Gerhard Mumelter / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.7.2008)