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Ana Ivanović und Jelena Janković

foto: reuters/Danny Moloshok
Mit voller Kraft schlägt Iva Baničević den Ball. Vorhand, Rückhand, dann Volley. Und dann alles wieder von vorne. Keine Spur von Müdigkeit ist bei dem gerade dreizehn Jahre alten Mädchen zu merken. Trotz der Sommerhitze. Bei jedem Schlag ist sie voll dabei, ärgert sich jedes Mal, wenn sie einmal nicht richtig trifft. Fünf Stunden am Tag trainiert die dürre, hochgewachsene Teenagerin. Wenn sie nicht gerade in einem Turnier spielt.

Die Terrasse über den drei Plätzen des Klubs "Tennis Tennis" ist nur grob betoniert, das Eisengitter ziemlich oberflächlich gestrichen. Rund um wackelige Tische stehen wackelige Plastikstühle. Nur der Blick auf den Donaukanal Ada Huja ist wunderschön.

Es ist ein krasser Gegensatz zu den elitären Tennisklubs, in denen Kinder in Westeuropa mit strenger Disziplin zu Topspielern gedrillt werden. Und trotzdem sind es derzeit Tennisstars aus Serbien, die bei Männern wie bei Frauen ganz vorne mitspielen. Jelena Janković, die einst hier im Klub trainierte, ist Zweite in der Damenweltranglise. Vor ihr liegt nur Ana Ivanović, ebenfalls eine Serbin. Novak Djoković (Weltranglistenplatz drei bei den Männern) vervollständigt das erfolgreiche Trio. Seit die drei ihre Erfolge feiern, boomt das Tennis in ganz Serbien.

Zufall, Genetik oder der Krieg

Dabei entstand dieses "serbischen Tenniswunder" aus dem Nichts. Die Tennis-Infrastruktur gehört zu den am wenigsten entwickelten in Europa, es mangelt an Tennisplätzen und Hallen, es gibt keine staatlichen Programme für die Förderung dieses Sports.

Die Eltern beklagen sich untereinander, wie teuer alles ist, wie schwer es ist, das Geld für die Ausrüstung und die vielen Reisen aufzutreiben, wie kompliziert Visa für internationale Turniere zu bekommen sind. Sie müssen alles aus eigener Tasche zahlen, und es gibt keine Garantie dafür, dass aus einem talentierten Kind auch ein Weltklassespieler wird. Das war auch bei den Eltern von Ivanović und den anderen Weltstars aus Serbien nicht anders. Vom serbischen Tennisverband kam in den 1990er-Jahren, als Serbien international isoliert war, überhaupt keine Hilfe. Die Eltern mussten sich verschulden, um ihren Kindern das Tennis zu ermöglichen.

Wie das kleine Serbien über Nacht eine Tennisweltmacht geworden ist, darüber sind sich Fachleute nicht einig. Für die einen ist das einfach ein Zufall. Die anderen reden von Genetik. Dritte wieder meinen, serbische Tennisstars seien in einem von Kriegen erschütterten Land groß geworden, sie hätten als Kinder die Luftangriffe der Nato erlebt und würden deshalb heute mehr Kampfgeist als die Konkurrenz auf dem Spielplatz zeigen.

"Am Ende schaffen es nur diejenigen, die die Kraft haben, Krisen zu überwinden" , meint auch Velkjo Radojičić. Er ist einer der besten Trainer in Serbien. Heute übt er mit dem Nachwuchsstar Iva, früher mit der heutigen Weltranglistenzweiten Janković.

Der Tennisboom erreichte Serbien, nachdem Djoković den ersten Grand-Slam-Titel für Serbien in Australien geholt und Ivanović Roland Garros in Paris gewonnen hatte. Seither hat Serbien einen neuen Lieblingssport und die Jugend endlich neue Helden, die ein anderes Gesicht Serbiens zeigen.

Die Tennisstars sind sympathisch, sie sprechen gut Englisch, lachen oft auf dem Spielfeld und sind deshalb beliebt unter Kollegen. Ihr Patriotismus ist unbefangen. "Ich wollte immer nur mit dem Tennisschläger kämpfen" meinte etwa Djoković einmal. Ana Ivanović selbst gilt als die neue Schönheitskönigin des Damentennis. In Serbien werden beide manchmal schon als die neuen Botschafter des Landes bezeichnet. Aus Geldmangel mit dem Bus "Ana ist mein Vorbild, weil sie ein Angriffstennis spielt", sagt die braungebrannte Iva nach dem Training. Sie ist ein ausgesprochen hübsches Mädchen, was neben dem sportlichen Erfolg eine wichtige Voraussetzung für satte Sponsorenverträge im Damentennis ist. In ihrer Generation ist sie auf Platz 22 in Europa. Obwohl sie gute Noten hat, stößt sie in der Schule wegen des vielen Ausbleibens auf wenig Verständnis.

"Ich will professionell Tennis spielen", sagt Iva. "Es gibt kein Zurück mehr" , erklärt ihre Mutter Vanja, eine Bauingenieurin. Im schlimmsten Fall würde Iva ein Tennisstipendium in irgendeinem College in den USA bekommen. Derzeit sieht es aber so aus, als ob sich Iva noch ganz andere Träume erfüllen könnte. Am vergangenen Wochenende nahm sie an einem Juniorenturnier in Bergheim bei Salzburg teil. Begleitet von ihrem Vater, fuhr Iva nach Österreich. Wegen Geldmangels mussten die beiden den Bus nehmen. Und auch das klappte nur, weil das österreichische Konsulat in Belgrad der jungen Spielerin entgegenkam und der Familie kurzfristig die notwendigen Visa erteilte. (Andrej Ivanji aus Belgrad/DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2008)