Wer glaubt, der Eiserne Vorhang hätte sich nach seinem Fall in Luft aufgelöst, irrt. Mitunter weht er tief nach Österreich herein. Jüngst wurde sein Saum im Stift Melk gesichtet.

Lehrer Karlheinz W. befand sich mit seinen Schülern auf Projektwoche. Ein Höhepunkt der Donau-Kulturreise sollte der Besuch des Barockstifts Melk werden. Als der gut vorbereitete Lehrer mit seiner Gruppe den Rundgang durch die Räume begann, geschah Erstaunliches: Man teilte ihm höflich mit, er solle sein Wissen für sich behalten. Wohl war er befugt, Eintritt zu bezahlen, nicht aber, in Konkurrenz zu den kostenpflichtigen Führern zu treten. Wenn ihm unbedingt danach sei, seinen Schülern etwas zu erklären, dann könne er dies auf Finnisch oder Japanisch tun, nicht aber auf Deutsch, Englisch oder Französisch. Nach deutlich vernehmbaren Worten zu einem Bildnis Maria Theresias setzte es die erste Verwarnung. Als der Lehrer erneut rückfällig wurde, bekam er Schweigebegleitschutz. Zwei Damen beschatteten die Gruppe und überwachten rigoros das Redeverbot.

PS: Noch ein Tipp für die tüchtigen Melker Stiftsvermarkter: länger als eine Minute auf ein Kunstwerk starren - 50 Cent extra. (Daniel Glattauer/DER STANDARD - Printausgabe, 5. Juli 2008)