"Die SPÖ hat vor dem Neoliberalismus kapituliert. Sie hat alle zentralen Wahlversprechen gebrochen." Hermann Dworczak, Organisator des "Linksprojekts", spricht gegenüber derStandard.at aus, was sich momentan viele enttäuschte Linke, Sozialdemokraten und Gewerkschafter denken. "Die SPÖ betreibt Sozialabbau", kritisiert Sonja Grusch, Bundessprecherin der linken Kleinpartei SLP (Sozialistischen Linkspartei). Einig ist sich das linke Spektrum vor allem in einem Kritikpunkt: Die SPÖ sei keine "Arbeiterpartei" mehr – sie habe ihre Wurzeln verraten.

"Die Zeit ist reif für etwas Neues"

"Die Zeit ist reif, über ein großes Linksprojekt seriös zu diskutieren", meint Dworczak. Klaus Kotschnig, Betriebsratsvorsitzender und aktiver SPÖ-Funktionär, schließt sich dieser Forderung an: "Ich glaube die Zeit ist reif für etwas Neues in Österreich." Wieso ist er selber überhaupt noch Parteimitglied? "Wenn es etwas Besseres geben würde, würde ich sofort wechseln." Und sieht in seinem Umfeld, dass es selbst langgedienten Sozialdemokraten irgendwann zu viel wird: "Ich habe einen Onkel, der seit 60 Jahren aktives Parteimitglied der SPÖ ist. Er hat mir vor ein paar Monaten schon gesagt dass er nicht weiß ob er die SPÖ noch einmal wählt. Ich denke das sollte als Antwort reichen."

Ein Trennungsgedanke, mit dem Kotschnig nicht alleine ist, meint Dworczak. "Es gibt viele enttäuschte Rote, die de facto schon draußen sind aus der Partei". Einige werden am Samstag dabei sein, wenn sich das linke Spektrum im Wiener Amerlinghaus versammelt, um Zukunftsperspektiven zu ventilieren. Im Grunde geht es um die Frage aller Fragen: Hat eine Linkspartei in Österreich eine Chance auf Erfolg?

KPÖ interessiert an Wahlplattform

Bisher gibt es in Österreich diverse linke Organisationen und Splittergruppen, die oft nicht gut miteinander können. Vor allem die KPÖ wolle "eine Art Alleinvertretungsanspruch" für sich reklamieren, klagt Sonja Grusch. Mirko Messner, Bundessprecher der KPÖ, dementiert das im Gespräch mit derStandard.at und zeigt sich optimistisch: "Wir sind sehr interessiert an einer Wahlplattform". Diese müsse allerdings ein "breites gesellschaftliches Bündnis" sein, nicht einfach ein Zusammenschluss bestehender linker Bewegungen.

Die Linke zieht momentan erkennbar an einem Strang. Der kleinste Gemeinsame Nenner: Ein Auftreten gegen Sozialabbau und gegen Rassismus und eine Rückbesinnung auf die Sorgen der "einfachen" Menschen. "Wir wollen jetzt aber nicht ein fertiges Ding am Reißbrett skizzieren, das Ganze muss ein lebendiges Projekt sein", meint Grusch über das bevorstehende Treffen. Bei einer etwaigen Neuwahl wäre das Ziel, geeint aufzutreten und sich als "Arbeiterpartei" zu positionieren.

"Der Unmut ist groß"

MigrantInnen, Gewerkschaften, enttäuschte Rot- und Grünwähler und die vielzitierte „Basis“ sollen einen Platz im "Linksprojekt" finden. "Die SPÖ kann einfach nicht mehr der richtige Ansprechpartner für Arbeitnehmer und kämpferische Gewerkschafter sein", meint Michael Gehmacher von der "Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften". Innerhalb der Gewerkschaft sei die Stimmung am Tiefpunkt, erzählt er. "Der Unmut an der FSG-Basis ist sehr groß".

"Diese Regierung kracht an allen Ecken und Enden, und über kurz oder lang endet das in Neuwahlen", ist ein Mitglied der Sozialistischen Jugend (SJ) überzeugt. Und man sei darauf vorbereitet: "Im Hintergrund wird unter Hochdruck daran gearbeitet, eine bundesweite und einheitliche Kandidatur linker Kräfte zu ermöglichen". Die schon lange schwelende Unzufriedenheit mit dem mangelnden sozialen Bewusstsein der SPÖ sei an einem Punkt angelangt, an dem es Zeit für Aktionen werde: "Es ist jetzt endlich eine gewisse Wut da".

Promi-Kandidat nicht in Sicht

Das Problem: Ein prominenter Spitzenkandidat, ähnlich wie Oscar Lafontaine in Deutschland, ist noch nicht in Sicht. "Das wäre wichtig, weil es vielen die Angst nehmen würde, sich zu einer neuen Bewegung zu bekennen", meint Gehmacher. Unter der Hand sei die Zustimmung zwar groß, aber viele würden sich noch nicht trauen, öffentlich gegen die SPÖ aufzutreten.

Eine Linkspartei wäre jedenfalls "dringend nötig", meint Dworczak. Auch um der FPÖ ihren Alleinvertretungsanspruch für die täglichen Probleme der Menschen zu nehmen. "Es ist die Stunde der Populisten. Wenn man den Leuten keine linke Alternative bietet, gehen sie in Scharen zu den rechten Rattenfängern." (Anita Zielina, derStandard.at, 4.7.2008)