Europas Schulklassen erreichen nicht die bis 2010 erwarteten Verbesserungen. In einem neuen Papier setzt die EU sich schon neue Ziele.

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"Trennung ist eine Spirale, die immer nach unten führt". EU-Bildungskommissar Ján Figel sprach sich am Donnerstag in Brüssel erneut gegen die frühe Selektion in Schulsystemen aus. So sei eine Trennung ab etwa zehn Jahren für alle nachteilig, insbesondere gelte dies aber für Kinder von Migranten.

Nach den von der EU-Kommission aufgelisteten Daten bringen Migrantenkinder aus Familien der zweiten Generation vor allem in Österreich und Deutschland schlechtere schulische Leistungen als die Kinder der ersten Einwanderergeneration.

Mit ihrem Grünbuch zur Förderung von Migrantenkindern will die EU-Kommission eine Debatte über mögliche Verbesserungen lostreten. Nach Erkenntnissen der OECD würden Migrantenkinder in ihrer schulischen Leistung ein bis zwei Jahre zurückliegen, häufiger die Schule verlassen und dadurch weniger Zugang zu höherer Bildung haben, sagte Figel.

Österreichs Bildungsministerin Claudia Schmied will aus diesem Grund möglichst bald Migrantenkindern zusätzlich auch Unterricht in ihrer Muttersprache anbieten. Dies hat zum Beispiel in Finnland die Leistung der Schüler mit Migrationshintergrund deutlich verbessert.

Die EU werde ihre selbstgesteckten Bildungsziele klar verfehlen, unterstrich Figel erneut. Die EU plante für 2010 die Verringerung des Anteils von Schülern mit Leseschwäche auf 17 Prozent, die Quote stieg aber von 21,3 Prozent im Jahr 2000 auf 24,1 Prozent im Jahr 2006 an. Außerdem hat sich die EU das Ziel gesetzt, dass bis 2010 mindestens 85 Prozent der jungen Menschen eine Art Matura oder Lehre abgeschlossen haben, 2007 lag die durchschnittliche Quote bei den 20- bis 24-Jährigen aber nur bei 78,1 Prozent. Verfehlen wird die EU auch ihr Ziel, die Rate von Schulabbrechern auf höchstens zehn Prozent zu senken.

"Die Mitgliedstaaten bringen nicht das an Ergebnissen, was wir wünschen", sagte Figel. Vor allem bei der kontinuierlichen Weiterbildung der Lehrer gebe es weitgehende Lücken. Es sei dringend notwendig, dass Schulen zu Systemen der Selbstevaluierung übergingen und das Schulpersonal besser ausgebildet würde.

Europa habe mit rund 80 Millionen Erwachsenen, die nur schwach ausgebildet seien und lediglich über schulische Grundkenntnisse verfügten, ein Problem, sagte Figel. Dies sei ein Drittel der europäischen Arbeitsbevölkerung. Die Bildungsprobleme von heute seien die Probleme des Wirtschaftsstandortes von morgen, warnte der Kommissar. Die Mitgliedstaaten reagierten auf die Probleme aber nicht rasch genug. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD Printausgabe, 4. Juli 2008)