Longo lebt im Prototyp seines Kugelbaus.

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Sie wollte sich nicht so recht durchsetzen:Weder als Grabmal – man denke an Boullées unausgeführten Entwurf für den Newton-Kenotaph von 1784 – noch als Wohnhaus hat sich die Kugel etabliert. Quasi als Gegenbeweis lebt Eduardo Longo seit 35 Jahren in seinem handgefertigten kugelrunden Prototyp. Das in São Paulo stehende Kugelhaus des 1942 geborenen Architekten hat einen exakt gleich großen, wenn auch staatstragenderen Wiener Zwilling:Das stacheldrahtumzäunte, unbewohnte "Kugelmugel" -Haus mit acht Metern Durchmesser, das im Jahr 1971 von Edwin Lipburger in Katzelsdorf gebaut wurde und 1982 in den Prater umzog. Auf eine sehr sympathische Weise spinnert sind beide.

Als einer jener Architekten, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach neuen Ausdrucksformen suchten und die modernistischen Paradigmen hinterfragten, hat Longo in den Österreichern Walter Pichler und Hans Hollein mit ihren utopischen Architekturmodellen der 1960er-Jahre Brüder im Geiste. Einigen Skizzen des aus der brasilianischen Oberschicht stammenden Longos sieht man allerdings an, dass er die Hollein’sche "Architekturpille" oder andere halluzinogene Substanzen sicher konsumiert hat. Einigen seiner Kugelmodelle verlieh Longo Flügel, andere reihen sich wie Perlen einer Kette an den Saum von Berglandschaften. Longos Ideal sind zu Modulen zusammengesteckte freischwebende Kugeln, die genügend Raum für "Luft, Helligkeit und auch Visionen" geben können. Witzige urbane Visionen, die noch immer einer Umsetzung harren. (kafe / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.7.2008)