Faymann/Gusenbauer glauben, der paranoiden Anti-EU-Kampagne der Krone nachgeben zu müssen, weil besonders unter den SP-Wählern die Stimmung gegenüber der EU so schlecht ist. Tatsächlich hat das monatelange Trommelfeuer der Zeitung sicher zum Tiefstand der EU-Zustimmung beigetragen. Aber der Glaube so vieler Politiker an die Allmacht der Krone ist eine selbsterfüllende Prophezeiung; die Krone ist sehr gut im Ausnützen und Verstärken von Stimmungen. Wenn sie konkrete politische Ergebnisse herbeischreiben wollte, ist sie sehr oft gescheitert.

Beispiele gibt es – über die Jahrzehnte – genug: Die Krone wollte einst Hannes Androsch zum Kanzler machen und hat ihn wütend gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung verteidigt. Die Krone wollte einst auch Jörg Haider zum Kanzler machen oder hat ihn zumindest massiv gefördert. Die Krone hat zwar entscheidend dazu beigetragen, dass Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten gewählt wurde, aber sie konnte ihm trotz heftiger Bemühungen keine zweite Amtszeit verschaffen – obwohl es Hans Dichand war, der seinem Grundstücksnachbarn am Attersee die Idee eingab, zu Saddam Hussein zu reisen, um die österreichischen Geiseln herauszuholen.

Die "Krone" wollte die schwarz-blaue Koalition des Jahres 2000 verhindern, auch weil Dichand der Meinung war, das sei zu früh für Haider. Er hätte noch eine Wahl abwarten sollen, dann wäre die FPÖ (damals 27 Prozent) stimmenstärkste Partei geworden, und Haider hätte den Kanzler bekommen. Dichand ließ die Öffentlichkeit an seinen diesbezüglichen Überlegungen in einem denkwürdigen Hörfunkinterview teilhaben. Die Krone wollte schließlich Karl-Heinz Grasser zum Kanzler machen.

"Die Krone" bedeutet natürlich immer Hans Dichand. Er wollte das alles, und er ist mit diesen Kampagnen gescheitert (meist an den persönlichen Unzulänglichkeiten seiner auserwählten Kandidaten). Selbstverständlich waren viele Krone-Kampagnen von Erfolg gekrönt: Sie half den Vizekanzler Erhard Busek stürzen, sie hat den Bau des Kraftwerks Hainburg mit verhindert und den Leseturm im Wiener Museumsquartier. Schlimmer, viel schlimmer noch: Die "Krone" hat die politische Kultur nachhaltig negativ beeinflusst, in der "Ausländerfrage", bis vor wenigen Jahren noch mit antisemitischen Untertönen (was im Jahr 2004 vom Gericht in einem Prozess Krone gegen STANDARD festgestellt wurde).

Die Geschichte des Aufstiegs der beiden harrt noch einer umfassenden Darstellung (Peter Michael Lingens hat vor Jahrzehnten im "profil" die brisante Gründungsgeschichte atemberaubend dargestellt). Man kommt dabei nicht ohne (zwiespältige) Anerkennung für Dichands Kenntnis der österreichische Seele aus.

Aber die "Krone" und Hans Dichand sind nicht allmächtig. Ein Politiker von Format wie Kreisky benutzte die Krone, er ließ sich von ihr nicht benutzen. Die EU-Stimmung gegen die allgemeine Verdrossenheit zu verbessern, ist bestimmt kein Kinderspiel. Aber es ist nicht unmöglich. Die Niederlagen der Krone beweisen es. (Hans Rauscher, DER STANDARD Printausgabe, 1. Juli 2008)