Sigur Rós: "Með suð í eyrum við spilum endalaust" (EMI Record/EMI, 2008)

Coverfoto: EMI

Selten, aber doch, gibt es diese Momente, wo man sich auf ein Album wirklich freut und hofft, dass Erfolg und wachsende Bekanntheit eine Band nicht von ihrem Weg abgebracht haben. Beim isländischen Quartett Sigur Rós – Jón Þór "Jónsi" Birgisson, Georg "Goggi" Hólm, Orri Páll Dýrason und Kjartan "Kjarri" Sveinsson – ist nun das nächste Kapitel aufgeschlagen worden. Das neue Album "Með suð í eyrum við spilum endalaust" schafft den Spagat vom Bewährten und bringt dennoch eine ganz neue Facette der Band ins Spiel.

Eine Reise um die Welt

Die letzten Alben luden die ZuhörerInnen nach Island ein und zeigten, welche (musikalische) Pracht das Land zu bieten hat. Im neuen Album reisten Birgisson und Co. nun selbst um die Welt – produziert wurde in London, New York und Kuba -, sammelten ihre Eindrücke zusammen, luden erstmals auch Orchester und Chor ein und landeten schlussendlich doch wieder in der Heimat. In "Með suð í eyrum við spilum endalaust" ("Mit einem Brummen in den Ohren spielen wir endlos weiter") stechen einmal mehr Birgissons Falsettgesang, allerdings nicht in gewohnter Höhe, und seine spezielle (Eigen-)Art, die Gitarre mit einem Cello-Bogen zu spielen, wenn auch nicht mehr so häufig wie früher, hervor.

Das Eröffnungslied des Albums, gleichzeitig auch die erste Single, "Gobbledigook", erinnert von seiner Mainstreamtauglichkeit an "Hoppípolla" (isländisch für "In eine Wasserlacke springen") und ist gleichzeitig auch das untypischste Lied für den Rest des Albums.

Mehrsprachigkeit

Seine eigene Sprache reichte für den Sigur Rós-Sänger ohnehin noch nie aus: er singt auch weiterhin zusätzlich in seiner Kunstsprache "Vonländisch", im Englischen auch schon als "Hopelandic" bezeichnet. Doch ein neues Album braucht nun auch eine weitere Sprache, also findet sich nun erstmals auch ein englischsprachiges Lied auf dem Album. Diese Tatsache stört allerdings das Gesamtkunstwerk weit weniger, als man annehmen könnte – immerhin versteht man nun auch einmal den Text – ebenfalls eine Novität – zumindest für alle Fans, die des Isländischen nicht mächtig sind.

Wenn Kleinode reifen

Gleich hintereinander finden sich die beiden großen Nummern von "Með suð í eyrum við spilum endalaust": Zunächst startet mit "Vid spilum eddalaust" eine ganz große Melodie, die im darauffolgenden "Festival" ihren Höhepunkt erreicht. "Festival" kann wohl in jeder Hinsicht als das zentrale Element des Albums bezeichnet werden. Ein langsames Eintauchen in die mysteriöse Welt gipfelt in einer pulsierenden – man ist geneigt das Wort "hypnotisch" zu gebrauchen, Hymne und verblasst dann ganz langsam mehr. Mit einem wunderbaren Brummen in den Ohren.

Das Problem der Einordnung

Das Beste an der großen Bandbreite der Lieder ist jedoch, dass sie sich dem Ordnungswahn der Klassifizierung und Zuordnung verschließen. Was sind Sigur Rós denn nun? "Post-Rock", "Alternative" oder "Icelandic-Post-Rock-Pop"? Die Antwort kennt niemand wirklich. Und das Gute daran ist, es ist egal: Sigur Rós ist Sigur Rós – aus. Die Band hat bewiesen, dass man wachsen und sich treu bleiben kann – ohne stillzustehen.

Gesicht oder Gesäß?

Noch eine Neuerung hat das Album zu bieten. Zum ersten Mal wurde die Covergestaltung an Dritte vergeben. Das Ergebnis, ein geometrisches Figuren-Konzept, stieß jedoch auf blankes Entsetzen und so entschied man sich für eine andere Variante. Das aktuelle Cover zieren nun junge, nackte Menschen. Es handelt sich um das Foto "Highway" von Ryan McGinley. Die Band hatte es bei ihrer Reise nach New York für sich entdeckt. "Hübsche Hintern haben die", so wird Sigur Rós zitiert, "das ist besser, als wenn man unsere komischen Visagen sieht".

Wer die Gesichter hinter der Band dennoch einmal sehen will und bislang noch keine Gelegenheit dazu hatte – am 8. Juli finden sich Sigur Rós in der Wiener Arena ein. (grex)