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"Es war ein Fehler, den Dialog mit der Bevölkerung nicht breit zu gestalten", meint EU-Parlamentarier Hannes Swoboda. "So wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht mehr weitergehen".

Foto: Reuters/Pammer
Zeit-Österreich-Leiter Joachim Riedl bloggte es gestern als erster: Die SPÖ vollzieht eine "180 Grad-Wende" in der EU-Politik und tritt nun für eine Volksabstimmung zum EU-Reformvertrag ein, sollte ein neuer oder geänderter EU-Vertrag vorgelegt werden.

"Ja, das stimmt", bestätigt EU-Parlamentarier Hannes Swoboda, Vizepräsident der SPE-Fraktion, im Gespräch mit derStandard.at noch am Donnerstag. Ursprünglich sollte die 180 Grad-Wende im roten Europa-Kurs in der Freitagsausgabe der Kronen Zeitung und in der Zeit im Bild 2 verkündet werden. derStandard.at publizierte den Überraschungscoup allerdings schon am Donnerstag zu Mittag.

Hans Dichand, Herausgeber der Kronen Zeitung, schreibt Riedl in seinem Blog, "soll Werner Faymann - und Gusenbauer - die goldene Möglichkeit aufgezeigt haben, sich mit diesem Schwenk aus der Krise manövrieren zu können - zumindest aber in die Arme der 'Krone'". Swoboda zu derStandard.at: "Ich bin dagegen, den Leserbriefen der Krone zu folgen". Allerdings dürfe man nur, weil die Krone in etwas eine ähnliche Haltung habe, nicht prinzipiell dagegen sein.

Die "Krone" bestätigt am Donnerstag, dass die SPÖ ihren Schwenk in einem Brief an den Herausgeber der "Kronen Zeitung", Hans Dichand, kundgetan habe. Darin wird auch eine Abstimmung über einen möglichen Türkeibeitritt gefordert.

Griechenland und Holland wollen Abstimmung

"Es ist gar nicht anders möglich - so kann es nicht weitergehen", meinte Swoboda. So könne die EU nicht mehr agieren. "Das kriegen wir nicht mehr durch, die Stimmung in der Bevölkerung wird zu negativ". Eine Rettungsaktion der EU? "Ja, in gewissem Maße ist es das leider. Es geht nicht mehr nur um Irland".

"Natürlich wäre es vernünftiger gewesen, die Bevölkerung schon früher zu fragen", gab Swoboda im Gespräch mit derStandard.at zu. "Es war ein Fehler, den Dialog mit der Bevölkerung nicht breit zu gestalten". Eine Volksbefragung hätte ein Bestandteil dieses Dialogs sein sollen. "So wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht mehr weitergehen", so Swoboda.

Auch in Griechenland und Holland gebe es ähnliche Bestrebungen wie in Österreich, bestätigt Swoboda. Er rechnet damit dass auch andere EU-Länder in nächster Zeit entsprechende Kehrtwendungen vollziehen. Durch Österreichs Vorpreschen "geraten auch die anderen unter Druck", so der EU-Parlamentarier.

Die SPÖ-Spitze stellte sich am Freitag sich hinter Gusenbauer und Faymann. Aber auch erste kritische Stimmen wurden schon laut.

Van der Bellen: Jämmerlicher Stil

Die ÖVP zeigte sich aufgrund des Schwenks "empört" und "betroffen" und bezeichnete das Vorgehen der SPÖ als "Affront". Die Volkspartei will sich den Schwenk der SPÖ in Sachen EU-Vertrag nicht ohne weiteres gefallen lassen. Wirtschaftsminister Bartenstein erklärte nach dem ÖVP-Vorstand am Freitagvormittag, dass die Volkspartei den Koalitionsausschuss einberufen wolle. Zudem strebe Parteichef Molterer eine Aussprache mit Bundespräsident Fischer an.

Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen hat den EU-Schwenk der SPÖ als "jämmerlichen Stil" bezeichnet. Die innenpolitische Botschaft sei die, dass "Faymann und Strache händchenhaltend im Anti-EU-Boot mit der Kronenzeitung segeln".

"Glaubwürdigkeit"

FPÖ und BZÖ gaben sich skeptisch, was die "Glaubwürdigkeit" der Ankündigung betrifft. Für BZÖ-Chef Klubobmann Peter Westenthaler ist diese "äußerst gering." FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache sieht darin nichts anderes als "rote Falschspielertricks".

Neuwahlen

Die überraschende Kehrtwende der SPÖ könnte der Auftakt des Wahlkampfes für vorgezogene Neuwahlen sein. Das Wählerpotenzial, das sich aus den EU-Skeptikern gerieren lässt, ist hoch. Bei nur 28 Prozent der ÖsterreicherInnen ruft laut jüngstem Eurobarometer die EU ein positives Bild hervor. Die Mitgliedschaft in der EU ist nur noch für 36 Prozent der Österreicher eine gute Sache - der viertschlechteste Wert in der EU. Das Wort "Neuwahlen" wollte bisher aber niemand aus den Regierungsparteien in den Mund nehmen.

Neuer Vertrag

Der Verfassungsexperte Heinz Mayer meinte, der SPÖ-Schwenk würde bedeuten, dass, wenn man den Iren Zugeständnisse macht oder einen Vertrag so abändert, dass Irland nicht mehr dabei ist, und dann ein Vertrag zwischen den restlichen 26 EU-Staaten kommt, der dann in Abänderung vom Lissabon-Vertrag beschlossen wird, wäre dies ein neuer EU-Vertrag und müsste einer Volksabstimmung unterzogen werden. (red, Anita Zielina, Katrin Burgstaller, Manuela Honsig-Erlenburg/derStandard.at, 26. Juni 2008)