Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war vergangene Woche. Da wurde ich wie ein Mensch behandelt – und das, obwohl ich in die Fanzone hinein wollte. Bloß hat die Sache einen Haken: Dort, wo ich höflich, entgegenkommen und also eigentlich ganz normal behandelt wurde, werde ich nicht noch einmal reinkommen. Schließlich ist der ViP-Eingang in die Fanzone nicht nur gut versteckt, sondern auch nur für Menschen mit ViP-Einladungen der großen Sponsoren geöffnet.

Der ViP-Eingang liegt gleich gegenüber der Präsidentschaftskanzlei. Am Ballhausplatz. Da gibt es ein kleines, unscheinbares Türchen auf den Heldenplatz. Und wenn man dran vorbeigeht, übersieht man es leicht – auch, weil da meist zwei Polizeimannschaftsbusse so davor stehen, dass man es nicht sofort sieht.

Steward

Es sind vor allem die auf die Unicredit-VIP-Tribüne Eingeladenen, die hier ihren Weg ins innere der Fanzone finden. Und – eh klar - Stewards gibt es hier auch. So wie überall an den Fanzonen-Eingängen.

"Einen wunderschönen guten Abend, darf ich bitte ihre Einladung sehen?" fragt der junge Herr mit gepflegtem Äußeren und der obligaten blauen Weste. Sein Akzent verrät, das er so wie die meisten seiner Kollegen aus dem Osten Deutschlands stammt. Aber das Sächseln dieser Billigarbeitskraft ist bei weitem nicht so hart und herrisch wie das seiner Kollegen. Sicher ein Zufall.

Ein kurzer Blick

"Oh, vielen herzlichen Dank. Dürfte ich jetzt noch einen kurzen Blick in ihre Tasche werfen?" Aber ein in kurzes Aufklappen des Deckels genügt: Kein Greifen, kein Graben, kein Wphöen, kein Klopfen. Nichts. Stattdessen: "Vielen Dank. Verzeihung, aber ich muss sie jetzt auch noch auf verbotene Gegenstände kontrollieren." Ein kurzer, sanfter Klaps auf den linken Rippenbogen. Dann einer rechts. Der junge Man streift meine Hüfte und meine hintere Hosentasche und legte einmal alibihalber die Hand an die Hosennaht am Oberschenkel. An meinen. Aber vermutlich würde ich das genauso (nicht) spüren, wenn er das an der eigenen täte. Schließlich nimmt er danach ohnehin und mit einem strahlenden Lächeln eine Quasi-Habt-Acht-Stellung ein: "Danke noch einmal. Und entschuldigen Sie bitte diese Unannehmlichkeit."

Dann dreht er sich und zeigt in die Ferne: "Der Unicredit-Turm ist dort hinten, sie können ihn ja schon von hier aus sehen. Leider können wir sie dort nicht hinbegleiten, wir müssen hier am Eingang bleiben. Aber so voll ist es hier derzeit ohnehin gerade nicht. Ist das in Ordnung, wenn ich sie diesen Weg alleine gehen lasse? Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend und ein spannendes Match. Auf Wiedersehen."

Trance

Wie in Trance gehe ich weiter. Auch A.s Gesicht verrät Fassungslosigtkeit: "Wenn du das irgendwem erzählst, glaubt es dir keiner", meint sie, "entweder weil er das normale Fanzonen-Eintrittsbehandeln gewohnt ist – oder weil er sich all dem nie ausgesetzt hat und deshalb glaubt, dass die Menschen immer so behandeln."

Darum hier kurz der Unterschied. Die Normalo-Prozedur eben: "Stehenbleiben. Hier. So, weiter zum Kollegen. Rasch!" – "Nein, zum nächsten. Nein, doch zurück. ZURÜCK!" - "He, du, Hierher. Tasche auf! Was ist das? Und das? Sonnencreme, sagste? Alter, das kann jeder sagen. Vergiss es! Wir diskutieren hier nicht, wir schaffen. Also: raus damit! So kommst du hier nich´ rein, Junge. So, Arme hoch. HÖHER! Haste´n Problem? Sag nich´, dass ich grob bin. Ich mach nur meinen Job. Wenns dir nicht passt: Kannste ja wieder gehen. Und zwar sofort. So, jetzt passt es. Und jetzt weg hier. Rasch, mach mal hin." (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 26. Juni 2008)